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Eine Stadt, ihre Geschichte, ihre Menschen

BUCHBESPRECHUNG / NELLJA VEREMEJ / NACH DEM STURM

27/05/16 Ein Roman voller Gegensätze: Osten vs. Westen, Vergangenheit vs. Gegenwart, Traditionelles vs. Modernes, Eltern vs. Kinder. Von einer osteuropäischen Kleinstadt und den Menschen, die in ihr leben und sie präg(t)en. – „Nach dem Sturm“ von Nellja Veremej.

Von Verena Resch

Gradow – eine fiktive Kleinstadt, irgendwo in Südosteuropa „auf halber Strecke zwischen Istanbul und Paris“. Sie ist der eigentliche Protagonist in Nellja Veremejs zweitem Roman, obwohl die Autorin von Menschen und ihren Geschichten erzählt. Ivo hat sich in Mira, die Freundin seines Sohnes verliebt. Von seiner Frau Milly, einer verhinderten Opernsängerin, hat er sich im Lauf der Jahre immer mehr entfernt. Ihre Kinder sind nach mehreren Jahren im Westen wieder nach Gradow zurückgekehrt, Ana nachdem sie ihre große Liebe verloren hat, und Boris als tougher Geschäftsmann. Die Beziehung zu ihnen ist jedoch kompliziert.

Auch realpolitisches Geschehen spiegelt sich am Beispiel dieser Stadt. Sei es, wenn die Geschichte der Stadt der vergangenen Jahrhunderte skizziert wird, bei konkreten Anspielungen auf die aktuelle Flüchtlingssituation oder anhand von Generationenkonflikten zwischen Ivo und seinem Vater, einem überzeugten Kommunisten, oder seinem Sohn Boris, einem Anhänger des Neoliberalismus.

Aus wechselnden Erzählperspektiven erzählt die Autorin mit schöner Sprache von diesen und anderen Bewohnern Gradows. Verbindungselemente bilden mehrere wiederkehrende Motive oder Ereignisse, jeweils aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Gelegentlich gerät der Haupterzählstrang aus dem Blick..

Damit verwoben wird ein zweiter Erzählstrang über den Gründungsmythos der Stadt Gradow, der den Roman deutlich auflockert. Demzufolge wurde im Jahr 1715 die belagerte Festung dadurch gerettet, dass im August plötzlich Schnee vom Himmel fiel und die Belagerer vertrieb. Auch hier gibt es eine Dreiecksgeschichte: Damir, ein Flüchtlingsjunge, verliebt sich in Olga, die Frau des Hauptmanns Ottiz, die jedoch früh stirbt, während auf ihn ein steiler Aufstieg wartet.

Diese Rückblende, erzählt von Mira, die diese Geschichte für das Museum aufarbeitet, weist mehrere Parallelen zur Haupthandlung auf, die sich immer mehr verdichten, ehe die Handlungsstränge am Ende des Romans auf mystische Art und Weise zusammengeführt werden.

Trotz mancher langatmiger Stelle lohnt es sich auf jeden Fall, in diesen facettenreichen Roman einzutauchen – denn dass Nellja Veremej wunderbar erzählen kann, hat sie auch hier wieder gezeigt.

Nellja Veremej: Nach dem Sturm. Roman. Verlag Jung und Jung, Salzburg 2016. 240 Seiten, 21 Euro – jungundjung.at

 

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