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in den Alpen

LESEPROBE / HELL / OMNIBUS

15/03/13 „auch mit 70 hochaktiv, es geht uns hier nichts ab, wir bleiben stets auf Trab, nicht eben enthusiastisch, aber doch guten Muts, die Gefühlsbatterie bestimmt das psychische Tempo“, schreibt Bodo Hell. Im Literaturverlag Droschl ist anlässlich seines siebzigsten Geburtstages das Kompendium „Bodo Hell Omnibus“ erschienen: Verstreute vergriffene aber nicht vergessene Texte von Bodo Hell (etwa die legendäre Stadtschrift „Linie 13A“) sind hier ebenso nachzulesen, wie Aus- und Einlassungen namhafter Kolleginnen und Kollegen über Bodo Hell. Der Sprachvirtuose, Senner, Fotokünstler und Textmonteur feiert heute Freitag (15.3.) seinen siebzigsten Geburtstag.

Von Bodo Hell

für Renald Deppe

sie: bitte, wie erklären Sie sich und uns so etwas, verehrter Mann vom Berge: daß einem nämlich diese hundert Jahre alte Effektmusik, sich auf die Alpen berufend, dermaßen in die Knochen fährt, daß sie jedesmal wieder durch Mark und Bein geht, daß es einen hinein- und hinunterzieht, daß es einen schüttelt, daß es einem den Rücken entlangrinnt, daß es einem leicht zuviel wird

er: von welcher Musik sprechen Sie denn, liebe Wanderin des hereinbrechenden Abends, doch nicht von den Paradestücken so einer böhmischen Blasmusikkapelle, die ihre Nummern auswendig oder von regenfesten Tintennotenblättern herunter spielt (wenn auch offenbar nicht vom Blatt), bei deren Auftritten sogar die heimischen Musikanten in Scharen hinzuströmen, um dergleichen Vollblutmusiker in Aktion zu sehen und sich etwas davon für die eigene Spielpraxis auszuhorchen/abzuluchsen

sie: nicht solche brassbands am Dorfplatz samt den von ihnen dargebotenen standards meine ich, vielmehr schwebt mir ein großes Symphonieorchester in Gebirgsnähe vor, aus diesem oder jenem Festspielsommerbetrieb abgezogen, die Musiker allesamt um 1500 m in die Höhe versetzt, auf Wolke sieben, dem himmlisch opulenten Streicherklang hingegeben, die ausgesuchten Holz- und Blechbläser verhalten agierend, rundum mit feinem Schlagwerk besetzt, samt Windmaschine und original Herdenglocken (und seien es scheppernde Froschmaulschellen oder weithin klingende gegossene Exemplare), oder au contraire: ich stelle mir so ein effektvolles Klangbad für die ausgefuchsten Ohren einer elegant urbanen Zuhörerschaft im großen Konzertsaal vor (samt philharmonischem Orgelton), wie es (das Klangbad) wohlig warm von einem Dirigentenmaestro (und Compositeur in Personalunion) zu Beginn des letzten Jahrhunderts etwa in Berlin (mit der Dresdner Hofkapelle) uraufgeführt wird/wurde, mitten in den Ersten Welt- und Stellungskrieg hinein, zur Anbetung der ewig herrlichen Natur, diesmal fernab der unverrückbaren Alpen

er: vielleicht kann ich eine rare Aufnahme davon hören, oder sie ist mir unerkannt ohnedies schon einmal untergekommen, so nebenbei, im Solarradio, doch viel wichtiger scheint mir in Anbetracht der fortgeschrittenen Jahreszeit (in der das Vieh bald das Weite und die entlegeneren frischen Weiden aufsucht) gegenwärtig nur eines (was ich mir schon all die Jahre meines Hirtendaseins gewünscht habe und weiterhin wünsche): daß nämlich dieser wunderbar beruhigende friedliche Abendklang der Rindviehweideglocken im Hüttenrund einmal in voller Länge aufgenommen, also gespeichert wird und somit auch außerhalb des Almsommers gehört werden kann, nämlich genau in diesem An- und Abschwellen der diversen Schellen und Glocken, von denen Sie sprechen (man fragt ja bezeichnenderweise auch: wie die Glocke ›spricht‹, in einem scheinbar nicht enden wollenden Alm-Cluster, je nach Intensität und Energie von den Kühen, Kalbinnen und Kälbern, die übers Mattenrund verteilt ihr abendliches Almgras rupfen, ins Werk gesetzt, wobei die Leittiere sich nicht darin beirren lassen, gleich was da wie laut an ihrem muskelstarken Hals lärmt (ja sie sollen noch stolz darauf sein, was erst bemerkbar wird/aufkommt, wenn sie die Glocke verloren haben oder wenn man sie ihnen wegnimmt), also es geht um diesen Klangteppich, ganz wie nebenbei und selbstverständlich entstanden, kommend und gehend, immer wieder mit fundamentgründendem Tiefenbaß, erst einmal gar nicht für Zuhörer und Zuhörerinnen gemacht/gedacht

sie: damit müssen Sie sich wohl noch etwas gedulden, fürchte ich, lieber Alpenhirt …

Mit freundlicher Genehmigung des Literaturverlages Droschl
Bodo Hell Omnibus: Beiträge von/Beiträger zu Bodo Hell. Literaturverlage Droschl, Wien 2013. 247 Seiten, 22 Euro. - www.droschl.com

„Omnibus 3D“: Das Geburtstagsfest für Bodo Hell in Salzburg - mit Vernissage und Buchpräsentation – findet am Mittwoch (20.3.) um 19 Uhr in der Galerie Eboran statt - www.literaturhaus-salzburg.at

Zum Porträt Bodo Hell {ln:Dickicht von Beobachtungen und Gedanken}

 

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