Vom Unerhörten sprechen

LEKTÜRE VORAB

„Lieben Sie Scholten, Jelinek, Häupl, Peymann, Pasterk … oder Kunst und Kultur?“ Es war pure Selbstverteidigung darauf zu reagieren. Es war Widerstand im existentiellsten Sinn gegen diese Attacke zu protestieren. Es ging um nicht weniger als die Grundlagen freier Artikulation. - „Was tun. Figuren des Protests. Taktiken des Widerstands“ ist der Titel des Readers zum Festival "basics. Medien/Kunst/Gesellschaft 2007/08". Lesen Sie einen Auszug aus dem Einleitungsessay von Doron Rabinovici.

Doron Rabinovici

Die Kunst der Stunde

„Die Kunst der Stunde ist Widerstand“. So lautete der Satz auf einem Transparent, das im Jahr 2000 an der Fassade des Museums für angewandte Kunst hing. Ein Kollektiv aus Filmschaffenden stellte eine Reihe ihrer Arbeiten unter diesen Titel. Die Kunst der Stunde war der Widerstand: Jetzt, so die Botschaft jenes Februars, galt es, eine Sprache für eine neue Bewegung zu schaffen, die gegen Rassismus, gegen Rechtsextremismus und gegen die Regierung rebellierte.

Die Parole, der Widerstand sei die Kunst der Stunde, birgt allerdings auch in sich, was vorgebracht wird gegen eine Kunst, die engagiert sein will, denn in ihr klingt der Vorwurf mit, die Kunst der Stunde sei eben keine, die über die Stunde hinaus gültig bleiben wird. Gegen Filme, Stücke, Bücher oder bildnerische Werke, die zur Zeit und vor allem zur Unzeit entstehen, wird gerne eingewendet, sie hätten letztlich keinen Bestand. Das Werk werde den Prämissen der Dogmatiker geopfert. Diese Kritik kann auf Beispiele verweisen, und sie nährt sich unter anderem aus jenen Erfahrungen, in denen das Politische die Autoren, die Komponisten und die Maler ihren Vorgaben unterwarf, bis aus einem selbstbestimmten Diktum nichts als ein Diktat geworden war. Gegen eine solche Vereinnahmung, gegen die Geiselnahme im Namen der Freiheit wehrten sich jene, die mit der Losung „l’art pour l’art“ das Primat der Kunst und die Souveränität des Geistes beanspruchten. In solchen Situationen für eine schöpferische Arbeit einzustehen, die sich nicht der Ideologie fügt und sich nicht mit den Antworten der Macht und nicht mit jenen der Gegenmacht zufrieden gibt, sondern vom Unerhörten spricht, kann nicht unpolitisch oder desinteressiert genannt werden.

Kunst ist an und für sich noch keine Qualitätsgarantie. Das Versagen ist nicht die Ausnahme. Die Stoßrichtung sichert bekanntlich auch nicht den Erfolg, denn jeder weiß längst, gut gemeint ist nicht selten das Gegenteil von gut.

Was aber, wenn das bloße Beharren auf Entfaltung und auf Auseinandersetzung zum Regelverstoß wird? Die Parole des Februars 2000 richtete sich schließlich gegen eine Koalition mit jenen rechtsextremen Kräften, die seit Jahren gegen Moderne und Avantgarde gehetzt hatten. Sie hatten die kritische Beschäftigung mit der nazistischen Vergangenheit diffamiert. Sie hatten Schriftsteller, Theatermacher und Kulturpolitiker verhöhnt. Sie hatten plakatieren lassen: "Lieben Sie Scholten, Jelinek, Häupl, Peymann, Pasterk … oder Kunst und Kultur?“ Es war pure Selbstverteidigung darauf zu reagieren. Es war Widerstand im existentiellsten Sinn gegen diese Attacke zu protestieren. Es ging um nicht weniger als die Grundlagen freier Artikulation.

...

Mit freundlicher Genehmigung des Verlags Mury Salzmann und des Basics Festival
Hildegard Fraueneder und Gianni Stiletto (Hg.): Was tun. Figuren des Protests. Taktiken des Widerstands. Reader zum Festival "basics. Medien/Kunst/Gesellschaft 2007/08 veranstaltet von ARGEkultur, Fachhochschule Saburg-MultiMediaArt, subnet und der Galerie 5020. Müry Salzmann Verlag, Salzburg, 2010. 208 Seiten, 25 Euro.

Buchpräsentation ist am Montag (15.3.) um 19 Uhr bei der Eröffnung des Basic-Festivals 2010 „Be Part“ in der ARGEkultur.

Zum DrehPunktKultru-Vorbericht über das Basics-Festival
{ln:Facebook, Chorprobe und Diskurse}