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Coffea arabica

LEKTÜRE VORAB / GRILL / DAS SCHÖNE UND DAS NOTWENDIGE

In ihrem vierten, soeben im Otto Müller Verlag erschienenen Roman "Das Schöne und das Notwendige" zeichnet Andrea Grill das tragikomische Bild zweier Freunde, die sich unverhofft in großen finanziellen Schwierigkeiten sehen. Der Plan, den die beiden darauf hin fassen (mit der Revolutionierung des europäischen Kaffeemarktes ans große Geld zu kommen) hat nur einen Haken: Er beinhaltet eine indische Schleichkatze. - Hier eine Leseprobe.

VON ANDREA GRILL

Der erste kultivierte Kaffeebaum. Bekannt unter dem Namen „Arabica Kaffee“. Wird bis zu fünf Meter hoch, meist aber auf zwei Meter gestutzt, um die Ernte zu erleichtern. Zwei bis vier Jahre nach der Pflanzung beginnen die Bäume weiß und stark duftend zu blühen. Ihr Duft ähnelt dem des Jasmins. Aus den Blüten entwickeln sich die Kaffeekirschen.

Der April hat so vielversprechend begonnen, mit seinem elastischen Mund, voll Blühpflanzen und knospender Bäume. Jetzt ist August, ein Monat wie ein Sonntag, dem Sehnsüchtigen alles versprechend, um nichts zu halten außer einer erstickenden Temperatur. Von den Wäscheleinen, wo sie zwischen feuchten Socken und Unterwäsche eine letzte Zuflucht gesucht haben, hängen vertrocknete Regenwürmer. Die Erde bricht, ausgedörrt. Auch das andere Land glüht, er hat es in der Zeitung gelesen, die einer der Fabrikarbeiter, die in die Frühschicht gefahren sind, liegen ließ. Von ihnen ist nichts zu erwarten. Deshalb beginnt er später. Es wird ein schlechter Tag werden. Die meisten morgendlichen Zugfahrer blättern in der Zeitung, sie würden es auch wissen: In Rumänien herrscht eine Trockenperiode. Er steht auf, geht durch den Wagon, wankend, die Strecke ist kurvig, er stützt sich an jeder zweiten Sitzlehne ab.

Draußen sieht er die Frau wieder, ihr gelbes Kopftuch leuchtet zwischen den abgeernteten Stängeln, den Plastikkuppeln der Salatbeete, er muss sie fragen, was sie tut, wenn sie nicht am Feld arbeitet. Ob sie Zeit hat. Immer wenn der Zug die Peripherie erreicht, sieht er sie dort im Feld stehen. Heute wird ein sehr schlechter Tag für ihn werden. In den Wagons dunsten Pendler und Reisende in der Hitze, lehnen apathisch in ihren Sitzen.

Er macht sich an die Arbeit, holt einen Stoß Zettel aus der Hosentasche, geht durch den Mittelgang, der Zug fährt langsamer und geradeaus. Auf den Zetteln steht, dass er aus Rumänien ist, drei Kinder hat und sein Haus bei einer Überschwemmung zerstört wurde. Mit dem Oberarm wischt er sich einige Schweißtropfen von der Stirn. Den ersten Zettel legt er einer jungen Frau hin. Sorgfältig und bedächtig, aber ohne sie anzuschauen, legt er das Stück Papier auf das schmale Tischchen, unter dem sich der ausklappbare Mistkübel befindet. Sie tut, als sähe sie den Zettel nicht, als konzentriere sie sich ganz auf das Telefon in ihrem Schoß, ununterbrochen drückt ihr Daumen eine Taste, als spiele sie ein Spiel. Er weiß, sie denkt nur an seinen Zettel. Eigenhändig, von ihm selber unterschrieben! Radu, steht da, in seiner Schrift. Im Zug nennt er sich so.

*

Ich heiße Ferdinand. Aber alle nennen mich Fiat, hat er damals zu Finzens gesagt, in ihrem ersten Gespräch.

Fiat?

Ja. Fiat.

Wie das Auto?

Wie das Auto. Meine Eltern fanden, dass ich mit dem Auto etwas gemein habe, und Mercedes

ist ja auch ein Name. Ich bin es gewöhnt.

Ich könnte dich Ferdinand nennen. Einfach, wie du heißt.

Fiat wäre mir lieber.

Von den roten Bänken, auf denen sie sich niederließen, um Bekanntschaft zu machen, sah man die Uhr draußen, auf einem langen Stiel vom Gehsteig aufragend, als hätte jemand sie gepflanzt, wie die Linde daneben. Es war zwölf Uhr vierzig. Von der Linde fielen Zweiglein mit trockenen Fruchtkapseln vom Vorjahr aufs Tischtuch.

Im April, der alles versprochen hat, haben die beiden Bekanntschaft gemacht, im sechseckigen Beinhaus, gleich neben der Kathedrale, wo tausende Schädel aufeinandergestapelt sind, eine Bibliothek von Köpfen. Finzens, der in der Kathedrale arbeitet, verbrachte dort seine Mittagspause.

Mit freundlicher Genehmigung des Otto Müller Verlages
Andrea Grill: Das Schöne und das Notwendige. Roman. Otto Müller Verlag, Salzburg 2010. 200 Seiten, 18 Euro.

Andrea Grill liest heute Donnerstag (25.3.) im Literaturhaus im Rahmen des „Frühlingsfests“, in dessen Mittelpunkt heuer Edition Thanhäuser steht; neben Andrea Grill lesen Lázlo Márton und Frank Tichy, es musizieren die beiden Bajanvirtuosen Drenska Yova (Bulgarien) und Andrej Serkow (Ukraine); ab 19 Uhr; www.literaturhaus-salzburg.at

 

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