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Ikarus stürzt in die Alternatiefe

LEKTÜRE VORAB / JANACS / EULEN

08/04/10 „der Absatz ist schlecht, aber das war noch nie anders. sprichwörtlich geht es unserer Zunft nie gut“, sagt der Athener Eulenhändler. Bald wird er umsatteln müssen auf Falken. „was wohl Pythia dazu sagte? Dunkles jedenfalls“. Mit Anspielungen und Alliterationen, schrägen Wortverbindungen und bewussten Schreibfehlern, Freud’schen Versprechern und scheinbar banalen Kalauern spielt Christoph Janacs in seinen Prosaminiaturenim Band „Eulen“.

Von Christoph Janacs

Ikarus

altflügellos reist sichs leichter, hat man mir immer gesagt, es gibt dann keine Verführung, zu hoch und zu weit, das ist stets die Gefahr, du schießt übers Ziel hinaus und kommst nicht mehr wieder, wir gehen zu Fuß, das ist unsre Bestimmung, die alten Karrenwege entlang, in der Wagenspur der Altvorderen

trotzdem: der Traum vom Fliegen, sich tragen lassen vom Wind, der Erdanziehung entflohen, das Gesetz vom Fall des Falles aufgehoben wie die Angst, man wär nicht gewachsen, was jenseits des Horizonts liegt. es liegt dort nichts, sagte man mir immer, und keiner, der je von dort zurückgekehrt wäre

schreibt die Geschichte um: weder hab ich die Flügel verbrannt noch blieb ich, wohin ich flog. ich war weiter weg, als ihr zu träumen wagt, und kehre wieder, um zu bestätigen: da ist nichts. zumindest nichts, das der Rede wert wäre. hüben wie drüben Kleinhäuslertum und Kleingeisterei. braun oder blond, schwarz- oder blauäugig: das ist die Wahl. mein ist der Absturz in die Alternatiefe


rau und reif

man hält uns für Schlägertypen, gemein und gefährlich, aber das ist ein Vorurteil, das wir leicht aus der Welt schaffen können wie dessen Urheber und alle, die es verbreiten. wir sind empfindsame Seelen und lassen uns ungern kränken. was kränkt macht krank, hat man uns eingebläut. an dieser Erkenntnis tragen wir immer noch schwer, Wundmale bei manchen mit eingeschlossen. das hat gezündet, und wie ein Lauffeuer ging es von Heim zu Heim: kein Asyl! seitdem wolln wir das Vaterland brennen sehn, uns wärmen an der Kälte der Väter, die wir meinen, wenn wieder einmal ein Genick zu Bruch geht. die Scherben lassen wir liegen, auf daß sich der Nächstbeste schneide. schneidig!  rufen wir, die Arme zum Gruß erhoben. wir wollen die eigenen Wunden heilen und siegen. die Zeit ist reif


Kopfarbeit

ich denke, es begann alles mit dem Schütteln des Kopfes. einige mißverstanden es als vergeblichen Befreiungsversuch von Läusen und anderem Ungeziefer, die in Haupthaar, Bart und anderswo nisteten, andere als Zeichen der Zustimmung (Zustimmung wofür?). richtig oder besser: zutreffend war natürlich Antwort A. es müssen Heimkehrer gewesen sein. auf die erste ihnen gestellte Frage schüttelten sie ihre Köpfe: nein, da draußen ist nichts. zumindest nichts von Bedeutung. dann krochen sie zu ihren Frauen und weinten. oder kicherten. es läuft auf dasselbe hinaus. Weltläufige, die heimkehren und bleiben, sind keine. und die fort bleiben? die sind dem bösen Wolf begegnet oder einer vergifteten Prinzessin. auch das läuft auf dasselbe hinaus. ich denke, es beginnt alles mit dem Schütteln des Kopfes


Eulen

ich bin Athener Eulenhändler. der Absatz ist schlecht, aber das war noch nie anders. sprichwörtlich geht es unserer Zunft nie gut. als Wappentier eignet sich die Eule offenbar nicht. deshalb findet man sie nur noch auf antiken Münzen, in Kinderbüchern und an renovierungsbedürftigen Gymnasien. humanistisch denken ist heute zu wenig. aber die Fassade lassen wir stehen. ein wahrhaft salomonisches Urteil! was wohl Pythia dazu sagte? Dunkles jedenfalls, aber das sind wir ja gewöhnt

ich habe es mit einer Schellenkappe versucht. das hat zwar den Verkauf nicht angekurbelt, aber die Lacher hatte ich dafür auf meiner Seite. ich habe ja Humor, ich liebe Komödien (seit meiner Kindheit lese ich immer wieder Aristophanes), auch Volksbücher, aber das war mir zu viel. ich ziehe weg, sagte ich, wenns sein muß sogar nach Böhmen, da kenn ich einen Ort südlich von Prag, wo man seit alters her Gold schürft und das Münzrecht besitzt. aber ich blieb; Vater war dagegen

ursprünglich fühlte ich mich dazu berufen, Ornithologe zu werden. daß es dann bei Eulen und nur Eulen blieb, liegt an unserer Familientradition. studier nicht, hat mein Vater gesagt, verkauf Eulen. wir wissen, daß wir nichts wissen, und dein Großvater und dein Urgroßvater und alle andern davor haben es auch schon getan. aber ich sehe keine Zukunft mehr darin. es hat sich ausgeeult. wohl oder übel werde ich umsatteln. auf Falken


Mit freundlicher Genehmigung der Edition Tandem
Christoph Janacs: Eulen. Prosaminiaturen. Mit Fotografien von Karl Freudenthaler. Edition Tandem, Salzburg 2010, 168 Seiten, 19,50 Euro. - www.edition-tandem.at


Heute Donnerstag (8. 4.) liest Christoph Janacs bei den Rauriser Literaturtagen auf der Heimalm. Catarina Carsten wird ab 17 Uhr den Lesungsreigen eröffnen. Mit dem Förderungspreisträger 2010, Martin Fritz, werden die ehemaligen Förderungspreisträger Christoph Janacs, Gudrun Seidenauer und Wolfgang Wenger auftreten. www.rauriser-literaturtage.at


 

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