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Bestens integriert

LITERATURHAUS / LESUNG GERGELY PÉTERFY

16/02/17 Integration kann recht aparte Formen annehmen: Angelo Soliman ist ohne viel Umstände nicht nur in eine Freimaurer-Loge, sondern später auch ins Wiener Hof-Naturalien-Cabinet integriert worden. Genauer gesagt: die Haut des Mohren wurde präpariert und auf eine Statue aus Holz gespannt.


Von Reinhard Kriechbaum

„Der ausgestopfte Barbar“ heißt ein Roman des ungarischen Schriftstellers Gergely Péterfy, der morgen Donnerstag (16.2.) Gast im Literaturhaus Salzburg ist. „Der Barbar“ - der war in Wirklichkeit alles andere als ein solcher. Angelo Soliman (um 1721 bis 1796) stammte vermutlich aus dem Volk der Kanuri im Nordosten Nigerias. Er soll (nach eigener Darstellung) einer Häuptlingsfamilie entsprossen sein. Das schützte ihn aber nicht davor, dass er als Kindersklave verschleppt wurde und nach Wien kam. Er genoss dort eine vielfältige Bildung und galt in späteren Jahren als einer der brillantesten Geister seiner Epoche. Er bewegte sich in den Kreisen der Freimaurer, pflegte auch gute Beziehungen zu Kaiser Joseph II, zu Fürsten und zu namhaften Wissenschaftlern seiner Zeit. Unter anderem war er Prinzenerzieher von Erbprinz Alois I. von Liechtenstein.

Das ist die erfreuliche Seite der Geschichte. Die Unerfreuliche: Ein Außenseiter, der zu so hohem Ansehen bringt, braucht für Feinde nicht zu sorgen. Wie es genau zugegangen ist, dass nur Solimans Innereien ein christliches Begräbnis erfuhren, die Haut aber zur musealen Attraktion gemacht wurde, darüber gibt es verschiedene Mutmaßungen. Eine Theorie: Möglicherweise steckte der Kaiser selbst dahinter, denn Soliman und seine Sympathisanten standen für den Geist der Aufklärung, und der war nach der französischen Revolution nicht mehr so gefragt. Dass Soliman nun im Kaiserlichen Naturalienkabinett als halbnackter Wilder mit Lendenschurz, Federn und Muschelkette ausgestellt wurde, umgeben von exotischen Tierpräparaten, könnte also auch eine Art posthumer Strafvollzug mit abschreckender Wirkung gewesen sein. Bis 1806 war er so im Hof-Naturalien-Cabinet (dem Vorgänger des Natur-Historischen Museums in Wien) ausgestellt, dann kam er ins Depot, und bei einem Brand während der Kämpfe des Jahres 1848 wurde die Statue vernichtet. Es gibt außer zeitgenössischen Bildern und Graphiken heute nur noch eine Gipsbüste (Totenmaske) Solimans, heute im Rollettmuseum in Baden bei Wien. Ja, auf eine österreichische Briefmarke hat Soliman es auch gebracht.

Ein Wunder, dass eine solche Story einen Schriftsteller anregt? „Der ausgestopfte Barbar“ ist mehr als eine Chronique scandaleuse. Der ungarische Schriftsteller Gergely Péterfy lässt Gräfin Sophie Török, der Witwe des herausragenden Literaten und epochalen Spracherneuerers Ferenz Kazinczy (1759-1831) und Freund Solimans die Geschichte dieser beiden bemerkenswerten Männer erzählen. Kazinczy wurde der Teilnahme an einer Verschwörung beschuldigt und war 2387 Tage eingekerkert, darunter sogar in der Festung Kufstein. Wie sein Freund Soliman bemühte er sich bis an sein Lebensende vergeblich, die Welt durch die Vermittlung von Einsichten und Wissen ein wenig besser zu machen.
So ist dieses grandiose Buch auch zu lesen als eine Parabel auf die menschliche Bosheit und Dummheit, die die Ideale des Geistes und der Schönheit vernichten. Dass bei allen geschilderten Skurrilitäten immer wieder Humor durchblitzt, macht diesen Roman noch faszinierender. „Was bedeutet es, in der Welt fremd zu sein? Als der ungarische Dichter in der ungarischen Nationaltracht und der dunkelhäutige 'Lakai' in bunten Seidenkleidern über den Wiener Graben flanierten, war es sicher schwer zu entscheiden, welcher der beiden hier fremder war“, so der Autor.

Gergely Péterfys Roman war in den letzten Jahren einer der größten Erfolge auf dem ungarischen Buchmarkt. Im Jahr seines Erscheinens, 2015, erhielt es den angesehenen nicht staatlichen Literaturpreis Aegon, es erlebte bisher 5 Auflagen von insgesamt 15.000 Exemplaren. Im Literaturhaus lesen der Autor, der Übersetzer des Buches György Buda und Petra Nagenkögel.

Gergely Péterfy, Der ausgestopfte Barbar. Aus dem Ungarischen von György Buda. 560 Seiten. Nischenverlag, Wien 2015, 28.- Euro – www.nischenverlag.at
Bilder: Städtisches Rollettmuseum Baden, Sammlung Gall (1); Nischenverlag (2); hu.wikipedia (1)

Lesung und Gespräch morgen Donnerstag (16.2.) um 19.30 Uhr im Literaturhaus Salzburg – www.literaturhaus-salzburg.at

 

 

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