Von Trauben und anderen Lese-Früchten

RAURISER LITERATURTAGE / ERÖFFNUNG

31/03/22 Vor dem Haus hat sich eine kleine Menschentraube gebildet. Sie schiebt sich langsam in das Gebäude hinein, vorbei an der hölzernen Bank, in die die Namen aller Preisträgerinnen und Preisträger geschnitzt sind. Noch fehlen Vorjahrs-Preisträger Benjamin Quaderer und Anna Albinus, die den Rauriser Literaturpreis 2022 für ihren Debütroman Revolver Christi gewonnen hat.

Von Andreas Hepp und Magdalena Schobersberger

Nach dem Einlass geht es über eine wuchtige Steinstiege hinauf in den Saal des Messnerhauses. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Raum, der von einer steinernen Wand eingerahmt ist. Wenn Sie hinaufblicken, sehen Sie einen freiliegenden Dachstuhl, der den Raum größer wirken lässt und ihm gleichzeitig eine gute Akustik verleiht. Der Dachstuhl ist gewoben aus mächtigen urigen Holzbalken. Dazwischen kreisrunde Leuchtringe... Die Kombination aus alt und neu, aus urig und modern verleiht dem Raum eine einzigartige Eleganz.

Sie sind von etwa dreihundert Leuten umgeben, ein paar Reihen vor Ihnen sitzt Brita Steinwendtner, die die Rauriser Literaturtage zu dem gemacht hat, was sie heute sind. Wenn Sie sich all das vorstellen können, dann wissen Sie, wie es ist, die Eröffnung der Rauriser Literaturtage zu erleben. Dieses steigen, nach der hybrid-Ausgabe des Festivals 2021, nun zum ersten Mal mit Publikum im historischen Mesnerhaus.

Plötzlich wird der Raum etwas dunkler und die Trachtenmusikkapelle Rauris beginnt mit dem Eröffnungsstück. Ganz pünktlich am Mittwoch (30.3.) um 19 Uhr. Anschließend eröffnen der Bürgermeister von Rauris, Peter Loitfellner und Landeshauptmann Wilfried Haslauer die Rauriser Literaturtage. 2022. Der Landeshauptmann kündigt die einstimmige Entscheidung zur Verleihung des Großen Verdienstzeichens des Landes Salzburg an Brita Steinwendtner an.

Die Dankesrede der Autorin und Literaturvermittlerin ist berührend. Ihr so sanften wie ausdrücklichen Worte tragen das Publikum, und man merkt, dass sie die Leitung der Rauriser Literaturtage stets als Freude empfunden hat, denn „was man mit Freude tut, ist nicht Arbeit, sondern Freude“.

Wiederum wollen wir Ihre Vorstellungskraft bemühen, wenn wir Ihnen nun beschreiben, dass ein lebendiger Beweis für das jahrzehntelange literarische Wirken von Brita Steinwendtner die Bühne betritt. Ines Schütz, die schon vor 26.Jahren als Studentin zum ersten Mal an den Literaturtagen teilnahm, hat gemeinsam mit Manfred Mittermayer die Leitung der Veranstaltung übernommen. Letzterer schloss an seine Vorredner an, indem er Grillparzers „von der Humanität über die Nationalität zur Bestialität“ zitierte und in den Kontext der Ukrainekrise rückte: Das diesjährige Thema der Literaturtage – Von Tieren und Menschen – beschreibe zwei Wesen, die sich „traurigerweise in ihrem Verhalten noch nicht genug voneinander unterscheiden“.

Wenn Sie nun weiterhin die hohen Querbalken des Holzgewölbes in Gedanken haben, möchten wir Ihnen nun Sebastian Fasthuber als Sprecher der Jury vor Augen führen. Über seine Aufgabe als Laudator meinte er: „Ich bin gekommen, um zu loben.“ Zentral sei für ihn die Frage gewesen: Wie hängen Glaube, Gewalt und Liebe zusammen und inwiefern bedingen sie einander? Dabei sei, wie er „ehrlich zugibt“, Revolver Christi einer der merkwürdigsten Texte der vergangenen Jahre seiner Kritikertätigkeit gewesen. Genau das hebt Sebastian Fasthuber als erfrischend hervor, lobt die „ungeheure Komplexität des Textes“ und schloss einen seiner inhaltlichen Erklärungsversuche scheinbar hilflos mit der letzten Szene der Novelle, dem spätnächtlichen Besäufnis auf Kreta.

Und nun, unter diesen Querbalken, werte Leserinnen und Leser, kommt in fünf Metern Lebenshöhe die Gewinnerin des Abends dazu: Anna Albinus konnte aus familiären Gründen lediglich digital über die Beamerleinwand des Mesnerhauses anwesend sein. Sie nutzte ihre Streamingzeit zum Danken. Besonders hob Anna Albinus ihren Verleger Andreas Rostek hervor und den scheinbar mysteriösen Umstand, dass sie ihn in ihrer zweijährigen Zusammenarbeit noch nicht in Person treffen konnte.

Ebenso mysteriös und getragen liest die Preisträgerin nun die ersten Seiten des Werkes: Über eine klar denkende Geisteskranke, über einen lieblosen und aus Liebe motivierten Selbstmord, und über zwei Exemplare eines einzigartigen Revolvers. Als wir Studierenden des Salzburger Fachbereichs Germanistik anschließend vom Menschenstrom aus dem Mesnerhaus getragen werden, sammeln wir uns vor dem Eingang. Vor dem Haus hat sich eine kleine Menschentraube gebildet...

Die Rauriser Literaturtage dauern noch bis Sonntag (3.4.)  www.rauriser-literaturtage.at
Für DrehPunktKultur berichten Studentinnen und Studenten von Dr. Uta Degner im Rahmen der Lehrveranstaltung „Literaturbetrieb und literarisches Leben in Österreich (Rauriser Literaturtage 2022)“ am Fachbereich Germanistik von den Rauriser Literaturtagen
Bilder: dpk-hepp/schob; www.rauriser-literaturtage.at / David Sailer / www.davidsailer.com (1)

 

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