„Wer ein Gewissen hat, fällt selbst hinein“

RAURISER LITERATURTAGE

01/04/11 Es sei erlaubt, nach dem Existenziellen zu fragen: Was sind die Literaturtage? Eine reine Ansammlung von Literatur in einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort? Weit mehr. Ein Zusammensein von Literaten, Autoren, Begeisterten, die sich – eingebettet in der Natur – über die Kunst der Worte unterhalten und sie wirken lassen.

Von Sabine Friedl

Der Einstieg in den zweiten Tag - der Kontrast, die Höhe des Hauses im Angesicht des tief unten liegenden Tals - lieh der Literatur einen Raum, den man nicht in Worte fassen kann. Bereits die Hinfahrt, der elektronische Aufstieg mit der Gondel in die Höhe zur Heimalm, führte eine andere Welt. Eine Welt der Aufmerksamkeit gegenüber verschiedenen Stimmen, aber auch der Lautlosigkeit kurzer Augenblicke.

Im Zusammenspiel mit der Wortkunst formte diese Umgebung eine Atmosphäre, wie man sie nur schwer woanders findet. Irritierend schön wurde das Thema der diesjährigen Rauriser Literatur Tage „…und ich begehre nicht schuld daran zu sein“ von Brita Steinwendtner wieder aufgenommen. Eröffnet wurde die Donnerstag-Nachmittag (31.3.) mit der Verleihung des Förderungspreises an Martin Amanshauser, den dieser mit den Worten „Ich habe mich gefragt, wann man zu alt dafür ist“, sichtlich erfreut und geehrt entgegennahm. So betonte Christian Schacherreiter in seiner Laudatio, dass der Preis an Amanshauser zu Recht für Witz, Ironie, Metaphorik und vor allem Qualität vergeben wurde.

Doch nicht nur der Preisträger hielt eine ansprechende Lesung. Vor allem Alois Hotschnig und Klemens Renoldner verstanden es, eine Erzählsituation zu schaffen, die Ihresgleichen erst suchen muss. So kehrte insbesondere in der Lesung von Renoldner immer wieder quasi ästhetische Stille ein. Ein gern gesehener Gast der letzten Stunden, welcher - immer dann, wenn der Schriftsteller seine Stimme erhob und von der Schuld sprach - sich in Anmut und literarische Schönheit kleidete. Ließ man sich auf Reise ein, konnte man den Autoren auf den verschlungenen Pfaden der Schuld folgen.

Alle Lesungen zeigten, dass, durch die Lautwerdung der Geschichte durch die Autorenstimmen, die Texte eine Lebendigkeit erhielten, der man es nicht ausschlagen konnte, ihr zu folgen. Alles wirkte harmonisch und aufeinander abgestimmt, als hätten sich die einzelnen Beiträge der Autoren gegenseitig erwartet. Trotz der „schweren“ Schuldthematik wehte oft ein humoristisch-satirischer, aber auch ein wehmütiger, nachdenkender Wind durch die Räume.

Dieser Nachmittag war ein Beisammensein mit ein und demselben Gedanken in den Köpfen aller - der Schuld. Man lernte ihre Facettenhaftigkeit kennen. Die Schuld begegnete einem in Form von Verdrängung, als soziale Krankheit oder als physisches Leiden. Doch sie kann sich auch ganz anders zeigen: Als Träger einer Stille, die in diesem Kontext an Natur und Heimat zugleich erinnerte, unabhängig von seinem eigentlichen, individuellen Ursprung. Dargestellt durch andächtiges Schweigen während der Lesungen oder in Form von Musik, die sich in den literarischen Abend nahtlos einfügte.

Am Ende des Tages ging noch eine Einladung an die Nachtschwärmer aus: Peter Stephen Jungk lud zur Erstlesung aus seinem neuen Werke „Das elektrische Herz“ in den Rauriser Hof ein, wo er in der Vorgeisterstunde Einblick in den „Dialog zwischen einem Man und seinem Herz“ gab. Eine Lesung die zeigte, dass das schwierige Schuldthema durchaus auch von Heiterkeit getragen werden kann.

Abschließend sei noch kurz auf die Gespräche mit den Autoren – unter studentischer Leitung verschiedener Universitäten – verwiesen, welche eine Gewisse Nähe zwischen Schriftsteller und Publikum aufbauten. So auch das Gespräch mit Ludwig Laher, der sich vor allem über die „überraschenden Fragen“ freute, da sie „doch ganz anders seien als die von Journalisten“. Er gab durch Antworten und Vorstellung seiner Sicht- und Arbeitsweise Einblick in sein jüngstes politisches Werk, das der Schuldthematik auf rechtlicher und menschlicher Ebene folgt und sich somit hervorragend in die Leitfadenthematik einordnete.

Eingangs wurde gefragt, was die Rauriser Literaturtage denn seien. Zum Schluss sei noch ergänzt: Der zweite Rarusi-Tag war ein Aufbegehren der Laute und Worte, ein Aufbegehren von Geigenklang und Literatur - das Ganze im Schnee. Etwas, das jeder einmal selbst erleben sollte.

www.rauriser-literaturtage.at
Bilder: www.rauriser-literaturtage.at
Für DrehPunktKultur berichten aus Rauris wieder Studierende von Christa Gürtler, die im Rahmen der Lehrveranstaltung "Literaturbetrieb und literarisches Leben in Österreich (Rauriser Literaturtage 2011)" am Fachbereich Germanistik an den Rauriser Literaturtagen teilnehmen.