Der ältere Herr in der Wirtshausecke

LITERATURFEST / MICHAEL KÖHLMEIER

04/06/12 Wer kennt nicht die Stammtisch-Situation, einem meist älteren, Mann in der Ecke, der mit viel Schmäh unterhaltsame Geschichten erzählt? So auch beim Literaturfest in der Bibliothek des Unipark: Michael Köhlmeier gibt Sagen und Legenden aus Österreich zum Besten. In die Wirtshausatmosphäre mischt sich immer ein Augenzwinkern.

Von Julia Mittermayr

Scheherazade erzählte, um ihr Leben zu retten, einem Scheich tage- und nächtelang Geschichte um Geschichte. So hält es auch Michael Köhlmeier: Er erzählt, als ob sein Leben davon abhängt. Mit dem Unterschied, dass das Geschichtenerzählen sein Leben ist. Sowie Köhlmeier anhebt, wird der große Raum zu einer kleinen Ecke im Wirtshaus – der Autor ist ein Meister, wenn es darum geht, Geschichten lebendig zu machen. Das gelingt ihm gleich beim ersten Märchen um einen Kaiser, der in Wien jemanden sucht, der das Geld am besten verwalten kann. Diesen findet er im „Eisenmann“ – eine nette Geschichte von Glück und Geld.

Im zweiten Erzählstück trifft man dann auf bekannte Gestalten: Der englische König Richard Löwenherz und Österreich-Regent Leopold treffen aufeinander. Der eine mit einer Haarpracht, die seinem Namen Ehre macht. Der andere trägt in seinem Herzen das „Buch der Tugend“, in dem er „gerne mal eine Notiz macht“. Köhlmeier bringt herrlichen Schmäh und Wortspielereien in das Märchen.

Dann werden die Geschichten trauriger. Mit der Tiroler Sage „Pechmandl“ und der Grazer Geschichte „Sebastian Inwendig“ beweist der Autor, dass sich sein Repertoire nicht nur auf den lustigen Bereich limitiert.

Noch sei kein Jahr vergangen, so Köhlmeier, in dem er nicht in seine Grimm’sche Märchensammlung geschaut habe. Das merkt auch das Publikum schnell: Köhlmeier erzählt frei, wirft die Hände in die Luft, das Lesebuch ist beinahe nur Schmuckwerk.

Zum Schluss wird es dann wieder lustig: Eine Geschichte, passenderweise aus dem Salzburger Land. Sie reicht bis auf Adam und Eva zurückreicht und erzählt von guten und bösen Menschen. Köhlmeier beschreibt einen Gott, der vom schlechten Gewissen geplagt wird und deshalb beschließt, dass jeder Mensch mittels einer Tinktur zu gleichen Teilen gut und böse werden soll. Diese soll ein Engel über die Länder verschütten – zu dumm, dass dieser die Berge der „schönsten Stadt“ streift und das Gefäß kaputt wird. Die Folge ist, dass Salzburg seither zweigeteilt ist in besonders gute und besonders schlechte Menschen. Dieser letzte Schmäh gefällt dem Publikum natürlich besonders.

Bild: Literaturfest Salzburg / Eva-Maria Repolusk