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In Wien den Innviertler Dialekt entdeckt

LITERATURHAUS / LESUNG ACHLEITNER / BERGER

27/09/12 Das Literaturfest Salzburg hat er in diesem Jahr bereits mit seiner Lesung aus dem Dialektgedichtband „iwahaubbd“ eröffnet. Am Mittwoch (26.9.) war Friedrich Achleitner nun mit Wolfram Berger im Literaturhaus zu Gast. In den Bauernhöfen gab es so gut wie keinen Wortschatz, um Gefühle auszudrücken; „mari / do / wari“ ist nach Achleitner das wohl kürzeste Liebesgedicht der Literaturgeschichte.

Von Harald Gschwandtner

Man vergisst ja mitunter gern einmal, wo Texte und literarische Verfahren, die einem inzwischen längst vertraut sind, eigentlich herkommen. Wohl auch deshalb verwies Friedrich Achleitner vor Beginn seiner Lesung auf die frühen Dialektgedichte H. C. Artmanns und Gerhard Rühms, die ihn in Wien dazu gebracht hätten, den eigenen Innviertler Dialekt als produktives Reservoir literarischen Schreibens zu begreifen. Er habe, so Achleitner im Nachwort zu seinem 2011 bei Zsolnay erschienenen Band „iwahaubbd“, eigentlich erst in Wien den Innviertler Dialekt „entdeckt“. Der überbordende Metaphernreichtum des Wienerischen schien ihm dabei in nur zu deutlichem Gegensatz zur kargen oberösterreichischen Mundart zu stehen.

Die Gedichte aus „iwahaubbd“ reichen von den 50er Jahren, als Achleitner als letztes Mitglied zur „Wiener Gruppe“ stieß, bis in die Gegenwart. Sie zeigen den Autor und Architekten als verschmitzten Sprachartisten und Experimentator mit einem Material, das oft der Alltags- und Arbeitswelt des ländlichen Raums abgelauscht ist. Freilich ist das Dichten in der Mundart hier aber nicht Ausdruck einer bruchlosen Identifikation mit Herkunft und Scholle, sondern Ausdruck eines Ungenügens: „Der Dialekt war in der so genannten Mundartdichtung (auch mit Hilfe von Heimatfilmen) in einer grausamen Idyllik verkommen, die ihn für immer zu lähmen schien und der mit seiner sprachlichen Wirklichkeit wenig zu tun hatte.“

Wenn nun Friedrich Achleitner gemeinsam mit Wolfram Berger auf der Bühne des Literaturhauses sitzt und das Publikum mit seinen Gstanzln, seinen oft minimalistischen Dialektgedichten und der „Innviertler Litanei“ prächtig unterhält, kann die literaturgeschichtliche Herkunft dieser Texte schon einmal aus dem Blickfeld geraten. Einfach deshalb, weil Sprachexperiment und abgründige Komik hier Hand in Hand gehen, das eine ohne das andere nichts Ganzes wäre. Doch Achleitners Texte sind viel mehr als bloß launige Skizzen aus der ‚Provinz‘ – darüber, „wias hoed scho zuaged“ – sondern Beispiele des immensen Ausdruckspotentials dialektalen Sprechens bei gleichzeitiger radikaler Reduktion.

Der sprachgeographisch anderswo sozialisierte Berger hatte mit den Tücken des oberösterreichischen Dialekts und seiner Betonung mitunter seine Probleme.

Auch wenn der subversive Gestus dieses Dichtens mittlerweile in der einhelligen Zustimmung für einen längst kanonisierten Autor ein wenig Patina gesetzt hat, versteht es Achleitner immer noch meisterhaft, sein Publikum in den Bann einer suggestiven Arbeit am Sprachmaterial zu ziehen. Die Anerkennung der Dialektdichtung als Teil des österreichischen literarischen Erbes ist längst nicht mehr gefährdet und bürgerliche Erwartungshaltungen werden bei Lesungen wie dieser auch nicht mehr effektvoll enttäuscht. Und das Publikum ist alles andere als ein studentisch-aufmüpfiges. Nichtsdestotrotz: Wie sehr diese Texte einem eminent avantgardistischen Formwillen geschuldet sind, macht einen wesentlichen Teil der bis heute von ihnen ausgehenden Faszination aus. Der launige Inhalt mag das mitunter ein wenig verschleiern, doch der dahinterstehende, von Gerhard Rühm formulierte Auftrag, dem Dialekt durch genuin literarische Verfahren „ganz neue Seiten abzugewinnen“, ist doch ständig präsent.

Achleitners Gedichte, die er und Berger abwechselnd präsentierten, sind von einer hinterfotzigen Boshaftigkeit und einem Fatalismus geprägt, die den Einfluss der Wienerlied-Tradition wohl kaum verleugnen können. Hier manifestiert sich freilich auch ein Gespür für die seltsam reduktionistischen Sprechweisen des ländlichen Raumes, insbesondere wenn es um Gefühle oder den Ausdruck zarten Begehrens ginge. „In den Bauernhöfen gab es so gut wie keinen Wortschatz, um Gefühle auszudrücken“, heißt es denn auch im kurzen, aber erhellenden „iwahaubbd“-Nachwort: „mari / do / wari“ ist nach Achleitner das wohl kürzeste Liebesgedicht.

Wer sich für ein noch umfassenderes Bild des Dichters interessiert, dem sei die Zusammenstellung seiner Texte im 1967 erschienenen Sammelband der „Wiener Gruppe“ ans Herz gelegt. Arbeiten wie „vorbereitungen für eine hinrichtung“ (1957) könnte man heute durchaus als Warnung davor verstehen, Friedrich Achleitner für einen harmlosen Dialektdichter – der er ja ohnehin nicht ist – zu halten. Der Abend im Literaturhaus war gerade deshalb gelungen, weil er Anregungen zu Recherchen wie diesen mit Unterhaltung auf höchstem Niveau zu verbinden wusste.

Bild: bergerwolfram.at

 

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