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Samuel Beckett, der Raser

PEN CLUB / LESUNG WALTER KAPPACHER

07/12/12 Kann das sein? Der knorrig und vergeistig aussehende irische Literatur-Nobelpeisträger Samuel Beckett soll in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Motorradrennen gefahren sein? Ja, das Faktum ist verbürgt, aber rein gar nichts über die näheren Umstände.

Von Werner Thuswaldner

Wie es gewesen sein könnte, ist bei Walter Kappacher nachzulesen. Er hat daraus eine begeisternde Geschichte gemacht. Am Mittwoch (5.12.) kam er im PEN Club (Kuenburgpalais) nicht auf die zuletzt erschienenen Roman „Der Fliegenpalast“ und „Land der roten Steine“ zurück, sondern las vor, wie Samuel Beckett, damals schon mit einer starken Neigung für die französische Literatur,  seiner Motorrad-Leidenschaft frönte.

Kappacher kann sich jedes Detail vorstellen, schreibt, welche Maschine es gewesen ist und schildert genau, wie der junge Motorsportler versucht hat, sich unbemerkt von seiner Mutter, die die Ambitionen ihres Sohnes missbilligt, auf der Maschine davon machte. Man hört die Hühner gackern, die von der Mutter gerade im Hof gefüttert werden.

Kappacher scheint die Gegend in der Wicklow-Mountains in der Nähe von Dublin, wo Beckett als Rennfahrer unterwegs war, in allen Einzelheiten zu kennen, ebenso das gesellschaftliche Umfeld, in dem der spätere Dichter lebte. Es wird einem der Eindruck vermittelt, Kappacher sei Augen- und Ohrenzeuge gewesen. Dass er ein Experte auf dem Gebiet des Motorradsports ist, wusste man ja ohnehin aus früheren Romanen und Erzählungen. Kappacher betreibt Lesertäuschung auf höchstem Niveau und führt genüsslich sein Insiderwissen vor. Es ist ein Genuss ihm zuzuhören.

Das Bild des abgehobenen, in sich zurückgezogenen Schriftstellers Walter Kappacher, das in der literarischen Öffentlichkeit kursiert, ist gewiss nicht die ganze Wahrheit. Kappacher kennt aus eigener Erfahrung den Alltag eines Berufslebens und pflegt ein unverkrampftes Verhältnis zur Wirklichkeit. So gut wie täglich schreibt er auf, was ihm auffällt. Auszüge aus diesen „Aufzeichnungen“ bildeten einen weiteren Teil seiner Lesung am Mittwoch. Er ist ein kritischer Beobachter seiner Umwelt und hat für das, was er sieht, scharfen Sarkasmus übrig. So etwa reflektiert er über seinen Wunsch, wieder einmal eine Tschechow-Aufführung zu sehen. Aber wie Regisseure von heute mit dem russischen Dichter umgehen, verleidet ihm das Theatererlebnis und er zieht die Lektüre der Stücke vor. Sprachliche und architektonische Skurrilitäten notiert er mit Unbehagen. Kappacher hält mit seinem Kulturpessimismus nicht hinter dem Berg und wehrt sich mit feiner Ironie.

Bild: www.walter-kappacher.at / Lukas Bäk

 

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