Kummer Ade eben

LITERATURHAUS / ALOIS BRANDSTETTER

11/12/13 Die Vielen sind gekommen, um sich im Zuhören einer alten Vertrautheit zu versichern. Ihre Erwartungen wurden am Dienstag (10.12.) im Literaturhaus erfüllt: Alois Brandstetter ist er selbst geblieben. Ist es vermessen zu sagen: Gott sei Dank?

Von Ulrike Guggenberger

014Alois Brandstetter, dieser Tage 75 geworden, ist kein Lauter, kein mit ausgestrecktem Zeigefinger Anklagender. Authentisch lebt er das, wovon er erzählt. Mit feiner Ironie sich den Menschen zuwendend. Leise, nicht nachlassend, stets wissend um die Verantwortung gegenüber seinen Leserfreunden und Zuhörern. Einen skurrilen Kirchendiebstahl, 2013 in der Klagenfurter Don Bosco Kirche, nimmt er zum Anlass, um sinnierend durch unsere abendländische, christlich geprägte Kultur zu mäandern.

Der Kirchenräuber in der Don Bosco Kirche hatte gewiss den Opferstock im Auge, hat sich aber gründlich vertan und anstatt dessen den Kummerkasten erwischt. „Ein Mangel an Security?“, schreibt der Autor launig. Und das heute, in Zeiten digitaler Überwachung rund um die Uhr, setzt vielleicht der Zuhörer fort. War man gewitzt und dreist genug, gelang einem in früheren Tagen auch ein Raub von Krippenfiguren. Zu einer davon erzählt Brandstetter eine persönliche Geschichte.

In den Krippendarstellungen war der Typos des Buben der seine Vater anbettelt: „Vater lass mich auch mitgehen“ verbreitet. Diese Figur erinnert Brandstetter an seine eigene Kindheit, wo er oft den Vater gebettelt hat, ihn mitgehen zu lassen. Bereitwillig erkennt das Publikum das „mitgehen lassen“ als durchaus zweideutig. Und dann wird Brandstetter sehr ernst. Er bringt den Tod mit ins Spiel und spricht vom letzten Mitgehen, zu einem Vater, der einen erwartet?

Und weil man ja schon mitten im Kirchlichen, Klerikalen steht, erfährt das Publikum noch von einem Pfarrer, der in seinem Gärtchen hinter der Kirche Opium anbaute und es sinniger Weise beim Allerheiligsten im Tabernakel versteckt. Brandstetter bringt dieses Geschehnis lächelnd in Verbindung mit Lenins Satz: „Religion ist Opium für das Volk“.

Eigentlich sei das vorliegende Buch ein „Zwischenprodukt“ zu einem andern, das erst folgen wird, erwähnt Brandstetter. Ulrike Tanzer geht im anschließenden Publikumsgespräch auf die überragende Bedeutung Brandstetters für unseren Kulturraum ein und findet damit begeistere Zustimmung, ja, bestätigende Verehrung in der Zuhörerschaft. Man wirft sich des Autors Buchtitel wie Bälle zu: „Die Abtei“, „Zu Lasten der Briefträger“.., daran hatte man sich einst festgehalten. Brandstetter verkörpert noch die heute so schmerzlich vermisste Einheit von Ausbildung und Bildung, von Wissen und Bildung.

Thomas Bernhard ließ Brandstetter einmal fragen, „warum er keine bösen Bücher schreibe?“. Das sei nicht Seins, versicherte Brandstetter damals und heute. Einem Anflug von Melancholie an diesem Abend ist der Titel des Buches aus dem Alois Brandstetter vorgelesen hat entgegenzuhalten: „Kummer Ade“.

Bild: Literaturhaus / Lukas Beck