Ein Feuerwerk der Pointen

SOLITÄR / NESTROY-MATINEE

27/10/14 „..und s’is alles net wahr“: Als Matinee zum Nationalfeiertag und Abschluss von „Österreich liest. Treffpunkt Bibliothek“ widmeten sich Robert Meyer und Wolfgang Brunner Briefen und Couplets von Johann Nestroy.

Von Gottfried Franz Kasparek

Robert Meyer, geboren in Bad Reichenhall, einst Student am Mozarteum, später Burgschauspieler, jetzt Direktor der Wiener Volksoper und Mitglied des Universitätsrats, ist ein Nestroy-Spieler der Extraklasse. Die Wahl-Wiener bayerischer Herkunft sind spätestens seit Emanuel Schikaneder ja nicht mehr wegzudenken aus dem Theaterleben der Metropole Österreichs, denken wir bloß an Irmgard Seefried oder Michael Heltau. Meyer beherrscht, wenn notwendig, sogar das Meidlinger „l“ souverän. Der vertrackte Kunst-Dialekt Nestroys klingt bei ihm völlig natürlich und er weiß, wie man die magische Grenze zur Outrage zwar erreicht, aber nicht überschreitet. Noch dazu ist er musikalisch genug, um den scharfen Witz und manchmal auch die doppelbödige Gemütlichkeit der Couplettexte in aller gebotenen Freiheit, aber doch nach Noten wiederzugeben.

Die Musik, meist stammt sie von Adolf Müller senior, hört man heutzutage nur mehr selten in originaler Gestalt im Theater. Dabei hat sie durchaus Qualität als getreuer Diener der Texte. Wie sich Robert Meyer und sein ebenfalls bayerischer, ebenfalls mit bestem Gespür für Wiener Schmäh ausgestatteter Klavierpartner Wolfgang Brunner mit Geist und Laune Pointen zuspielten, machte das Zuhören zum reinen Vergnügen. Mehr als ein lyrisches Intermezzo war, etwa in der Mitte des Programms, Brunners solistische Klangreise in die Innerlichkeit und in die Abgründe der Musik Franz Schuberts. Da war der beliebte „Hammerflügler“ wieder einmal als feinsinniger und tief schürfender Poet am modernen Flügel zu erleben.

Nicht nur „Schlager“ wie das Kometenlied aus „Lumpazivagabundus“ oder „Ja da hab i scho gnua“ aus dem „Talisman“, nicht nur das sprichwörtlich gewordene, der Matinee das Motto gebende Couplet „..und s’is alles net wahr“ aus der heute unterschätzten Posse „Die verhängnisvolle Faschingsnacht“ standen auf dem Programm, sondern auch manch kostbare Rarität aus dem 84 Stücke umfassenden Theaterschaffen Nestroys. „Weder Lorbeerbaum noch Bettelstab“ ist Nestroy-Liebhabern noch bekannt, aber wer hat jemals „Die Papiere des Teufels“ oder „Die beiden Herren Söhne“ gesehen? Menschliche Schwäche und soziale Verhältnisse treffsicher und zeitlos karikierende Couplets gibt es auch darin.

Robert Meyer verband die Couplets mit ebenso pointierten, aber mitunter vom Ernst des Lebens erfüllten Briefen des Dichters. Größte Heiterkeit verbreiteten Kaskaden des Sprachwitzes wie ein Schreiben aus dem Arrest, eine geradezu liebevolle Vernichtung des Kritikers Saphir und ein elegant formuliertes Dokument der Schürzenjägerei des „Ehekrüppels“ Johann Nestroy. Rührend aber, wie er dann doch die Lebensbeziehung mit Marie Weiler pries oder sich um eine erkrankte ehemalige Liebschaft kümmerte. Wunderbar, wie Robert Meyer mit nuancenreichem Vortrag die vielschichtige Persönlichkeit Nestroys bildhaft erscheinen ließ. Großer Beifall im vollen Saal – um Fortsetzung wird gebeten.

Bilder: Universität Mozarteum / Christian Schneider