asdf
 

Totenmesse mit singenden Amazonen

MOZARTWOCHE / BARTABAS / MOZART-REQUIEM

27/01/17 Bartabas singt nicht. Muss man darauf wirklich eigens hinweisen bei einem Pferdeballettchef? Sollte man doch, denn am Ende des szenischen Abends mit der "Académie équestre de Versailles" und dem Mozart-Requiem, mit dem am Donnerstag (26.1.) in der Salzburger Felsenreitschule die Mozartwoche begonnen hat, gibt es eine Überraschung...

Von Reinhard Kriechbaum

Da steigt nämlich Marc Minkowski herunter vom Dirigentenpodium, stapft durch die Sägespäne, bezieht Position vor den acht Edelpferden und gibt des Auftakt zu Mozarts "Ave verum". Nein, die Pferde, wohldressiert wie sie sind, bleiben mucksmäuschenstill. Es singen die Reiterinnen, die damit ihre Fähigkeit zum künstlerischen Multi-Tasking aufs Eindrucksvollste unterstreichen. Haben sie doch die Stunde zuvor als Pferde-Führerinnen und Quasi-Balletteusen (zumindest als Pantomiminen) mindestens so hohen Anteil am Szenischen gehabt wie die edlen Rösser. Ein nicht minder anspruchsvoller Part als jener der "Les Musiciens du Louvre" sowie des Salzburger Bachchors.

Das innige "Ave Verum" zum Schluss also singen die Damen zu Pferd, assistiert von einer Männergruppe vom Bachchor. Auch ein Dutzend der Chor-Damen hat einen Auftritt quasi in der Manege, sie singt im tumultuösen "Confutatis maledictis"-Abschnitt des Dies irae das flehentlich-innige "Salva me".

Dies also hat sich Pferdeliebhaber Marc Minkowski zum Abschied (er ist das fünfte und letzte Jahr künstlerischer Leiter der Mozartwoche) gewünscht: einen Auftritt der wunderbaren Pferdeballett-Compagnie aus Versailles, und dazu Mozarts "Requiem". Die Frage, ob man aus diesem eine Pferdeballettmusik machen darf, ist allemal einen Programmheftbeitrag wert. Jenseits aller ästhetischen Skrupel: Als Minkowski vor einigen Jahren im gleichen Arrangement am selben Ort Mozarts "Davide penitente" umsetzte, war der Befund weniger eindeutig als jetzt. Das Requiem ist eine so starke Musik, dass sie auch gestreckten Galopp leicht aushält. Diesen hört man nicht, weil genug Sägespäne da sind und die Pferde dämpfendes Schuh-, pardon Hufwerk tragen. Auf Leisheit sind sie zumindest ebenso getrimmt wie auf Synchronisation.

Es überwiegen an dem gut einstündigen Abend die fesselnden Eindrücke: Der Pferdeflüsterer Bartabas ist ein immens musikalischer Choreograph. Weder die Pferde noch die acht Amazonen mit wallendem Haar und langen Röcken, die ihre Erscheinung noch schlanker wirken lassen, tun irgend etwas, was der Musik widerspräche. Wenn es in der Partitur polyphon wird, dann lösen sich die Zug-Formen, sind kunstvolle Schrittfolgen und Kreisbewegungen angesagt. Es macht nicht wenig Effekt, wenn am Beginn des "Lacrimosa" die Damen auf dem Pferderücken liegen, wenn sie also - da die Rede von der Auferstehung ist - erst ihre Arme emporstrecken und sich allmählich aufrichten. Das wirkt so artistisch wie gestisch intensiv. Das Benedictus als Figurenritt zu Zweien, Vieren und Sechsen, das "Cum sanctis suis" am Ende als eindrucksvolles Lieneament von zwei mal vier Reiterinnen - all das sichert prägende Momente und wird von einer farblich warmen Beleuchtungsregie gediegen unterstzützt. Bertrand Couderc ist der Lichtkünstler.

Einprägsames Figurenwerk, intuitive Musik-Umsetzung also in jedem Takt, souverän ruhevoll. Mit dem Wort "Interpretation" muss man vorsichtig sein. Bartabas' Pferdeballett ist natürlich in erster Linie dekorativ, also L'art porur l'art in Reinkultur. Vielleicht deshalb empfindet man des Pferdechoreographen Idee zum "Agnus" als eher krude. Da lässt er drei Skelette reiten. Den knochigen Flügelstummeln nach sind Himmelsboten. Werden uns gläubigem Fußvolk als "Lamm Gottes" zu Bein gewordene Ex-Barockengel dargereicht? An Ironie mag man nicht recht glauben. Diese Szene ist die einzige, wo die Grenze zum Kitsch überschritten wird.

Viel Zutrauen Erweckendes kommt aus den Arkaden der Felsenreitschule, von wo aus "Les Musiciens du Louvre" und der Bachchor in durchmischter Aufstellung den gewaltigen Cinemascope-Dimensionen nicht nur wacker Paroli bieten, sondern bewundernswerte Präzision liefern: eine voll gültige gültige Originalklangdarbietung, zu der das Solistenquartett Genia Kühmeier, Elisabeth Kulman, Peter Sonn und Charles Dekeyser das Ihre beitragen.

Bartabas, der geniale Rossebändiger, hat sich auch ein Solo heraus genommen: nicht im Requiem selbst, sondern im stimmig voraus geschickten "Miserere" KV 85, einem selten gesungenen Chorwerk Mozarts. Auch das wird einprägsam gestaltet vom Salzburger Bachchor. Es ist überhaupt das größte Kompliment, das man dieser Produktion zollen kann: Kein Vierbeiner, keine Reiterin und kein Reiter stehlen der Musik die Show, obwohl es ein Abend natürlich in erster Linie des Pferdeballetts ist.

Weitere Aufführungen am 29. Jänner um 15 Uhr sowie am 31. Jänner und 3. Februar um 20 Uhr in der Felsenreitschule - www.mozarteum.at

Bilder: ISM / Matthias Baus

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014