Himmlische Längen

MOZARTWOCHE / CAPELLA ANDREA BARCA, ANDRAS SCHIFF

29/01/17 Sir András Schiff und seine Capella Andrea Barca gehören seit gefühlten urdenklichen Zeiten zur Mozartwoche. Die Konzerte im Großen Saal des Mozarteums beschwören ein wenig die Ära von Sandór Végh – so auch jenes am 28. Jänner, ganz im Zeichen Wolfgang Amadé Mozarts und Joseph Haydns.

Von Gottfried Franz Kasparek

Kollegiales Musizieren beherrschte das Podium. András Schiff ist kein Dirigent im klassischen Sinn, sondern ein mitfühlender und mitteilsamer Anwalt der Musik, die er liebt. Das Orchester vermittelt ein gerüttelt Maß an Erfahrung und Präzision und vermag durchaus im Sinne des Originalklangs und dennoch mit romantischem Impetus aufzuspielen. So erklang zu Beginn der überlangen Matinee Haydns Klavierkonzert in D-Dur, jenes mit dem Rondo all’Ungarese als Finalsatz, im schönsten Einklang zwischen dem Kollektiv und dem von Bösendorfer aus Impulse setzenden Solisten. Schiff, einer der wenigen bekennenden Bösendorfer-Fans unter den großen Pianisten, ließ nicht bloß den weichen Wiener Klang perlen, sondern setzte gerade im Finalrondo auch herbere, folkloristische Akzente. Unter seinen Händen wirkt der moderne Flügel ohnehin wie ein Hammerklavier mit mehr Volumen, so sensibel bedient er die Tasten. Dass er kein Freund von im unmöglichsten Augenblick eintreffenden bronchialen Ereignissen aus dem Auditorium ist, bewies eine ironische Sacktuch-Einlage.

Danach Mozarts Prager Symphonie – und die Erkenntnis, dass auch Mozart für „himmlische Längen“ geeignet ist. Vorausgesetzt, man befolgt sämtliche Wiederholungszeichen, besonders im ersten Satz. Da stellte sich zeitweilig der Vivace-Bezeichnung zum Trotz eine meditative Stimmung ein, die nicht immer der Konzentration förderlich war. Wiederholungen können verzaubern, aber vor allem dann, wenn sie nicht ganz gleich wirken. Nach einem geruhsamen Andante zündete das Presto gerade rechtzeitig vor der Pause.

Haydns Symphonie Nr. 101 verlangt nach pulsierender Eleganz und jener Mischung aus überraschendem Spielwitz und tieferer Bedeutung, die für diesen Komponisten ein Merkmal ist. Die Begeisterung bei der Londoner Uraufführung anno 1794 war so groß, dass die ersten beiden Sätze wiederholt werden mussten. Das Publikum hatte früher mehr Sitzfleisch und die Konzertsitten waren lockerer. Was würde Sir András wohl heute zu nicht enden wollendem Applaus nach dem immer wieder vergnüglichen Tick-Tack von Flöte und Oboe im zweiten Satz sagen? Wundersam gelang auch das melancholische Flötensolo im rustikalen Menuett und dem „Spirit“ der Ecksätze wurde rechtschaffen gehuldigt.

Nach gut zwei Stunden kam dann also noch Mozarts Klavierkonzert in A-Dur KV 488. Da kann nicht viel schief gehen bei dieser Konstellation am Podium. Alles war aufs Schönste austariert zwischen nobler Empfindsamkeit und quirliger Brillanz. Kompakter Jubel am Ende.

Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher