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Kein Puderstäubchen mehr auf der Perücke

MOZARTWOCHE / MOZARTEUMORCHESTER / PABLO HERAS-CASADO

30/01/17 Die Musikhistoriker gönnen einem schon nicht den kleinsten Spaß: Die Sache mit der Symphonie "The Miracle" - alle Londoner Konzertbesucher drängten sich der Legende nach vorne um Meister Haydn, während hinten der Kronleuchter von der Decke rasselte - beruhe auf einer falschen Werk-Zuordnung, behaupten sie.

Von Reinhard Kriechbaum

148Egal aber, ob es nun nach der Aufführung der Symphonie Hob. I:96 oder jener I:102 keine Verletzten, gar Toten gegeben hat: Haydns Sechsundneunzigste gilt ob dieses Histörchens als die symphonische Schutzpatronin vor dem Erschlagen-Werden. Dessen ungeachtet kann mit diesen Noten kräftig um sich schlagen. Das hat Pablo Heras-Casado am Sonntag (29.1.) am Pult des Mozarteumorchesters wirkkräftig und schon gelegentlich mit viel Druck auf die Trommelfelle vorgeführt.

Weil Haydns Musik ja einen der Nebenschauplätze abgibt im Mozartwochen-Programm, waren an diesem Abend drei "Londoner" Symphonien angesagt. Gleich als Aufwecker jene, die in England den Titel "The Surprise" trägt und bei uns etwas verniedlichend als jene "mit dem Paukenschlag" läuft. Pablo Heras-Casado hat mit gezielt-schnellem Wumm daran erinnert, dass es keineswegs nur die Pauke zum Fortissimo beiträgt. Er hat dann - auch und gerade im Andante-Variationensatz - so recht griffig und holzschnittartig herausarbeiten lassen, wie viele Forte-Optionen drin stecken.

Bei all dem Handfesten aber konnte sich der dreißigjährige Spanier auf die Spieldisziplin des Orchesters und die rhetorischen Fähigkeiten der Musiker verlassen. Es ist einem also nicht nur manches spanisch vorgekommen in diesen von südländischer Energie beseelten Symphonie-Auslegungen, man hat zugleich viele liebenswerte Einzelheiten heraushören können.

Bei der eingangs erwähnten "Miracle"-Symphonie zum Beispiel: Da ist gut herausgekommen, wie souverän Haydn mit der im London der 1780er Jahre immer noch als modisch geltenden Concerto-grosso-Praxis spekulierte. Flöte, Oboe und Fagott mischen kräftig mit, und das machte den Spielern an den Solopulten zumindest ebenso viel Spaß wie dem Publikum, das am Ende vor allem die Oboistin Isabella Unterer (vor allem für ihre hübsch ausgezierten Soli im Trio des dritten Satzes) mit Bravo-Rufen lobte. Die gesamte blasende Kollegenschaft (auch jene an den Hörnern und Naturtompeten) war hoffentlich mitgemeint.

Pablo Heras-Casado ist kein Zauderer, was die Tempi angeht, vor allem die Schlusssätze verwandelt er gerne in virtuose Bravourstücke mit Perpetuum-mobile-Charakter. Die Brillanz, mit der das Orchester dies einlöste, war beachtlich. Noch eins draufgesetzt in der "Militärsymphonie" (Hob.I:100): Die harmonischen Irreführungen der langsamen Einleitung wurden mit überzeichneter Dynamik hervorgehoben und der Dirigent ließ schon im vergleichsweise zierlichen ersten Satz schon die Muskeln spielen. Recht witzig, wie im Allegretto die Bläser-Akzente gewichtet wurden, als eine Gegenüberstellung von traditioneller "Harmoniemusik" böhmischen Zuschnitts und eben der "türkisch" aufgereizten Effekte.

Fast ein gestalterisches Zuviel? Man könnte für diese handfeste Art des Musizierens ins Treffen führen, dass die Konzerte des Johann Peter Salomon in den Hanover Square Concert Rooms in London (der Ort der Uraufführung) nicht nur frühe Ereignisse eines bürgerlichen Musiklebens, sondern auch Urahnen des Classic-Pop waren. Für solchen in Haydn immer gut, und nach den drei Symphonien waren jedenfalls alle Stäubchen aus der Puderperücke rausgebeutelt.

Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher

 

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