Lyrisches und Markiges

MOZARTWOCHE / SCOTTISH CHAMBER ORCHESTRA

01/02/17 Eine Klavierpoetin und ein forscher junger Kapellmeister fanden im Konzert des Scottish Chamber Orchestra eine gemeinsame Basis. Maria João Pires und Robin Ticciati musizierten am Mittwoch (31.1.) im Großen Saal des Mozarteums Mozart in apollinischer Schönheit.

Von Gottfried Franz Kasparek

Ein größerer Kontrast als der zwischen dem leidenschaftlichen Nachschöpfer Fazil Say, der am Tag davor mit der Camerata begeistert hatte, und der kultivierten portugiesischen Ausnahmepianistin Maria João Pires ist kaum denkbar. In Abänderung des ursprünglichen Programms war es nun Mozarts letztes Klavierkonzert, jenes in B-Dur KV 595, welches erklang. Ein Stück, dem man Nähe zur Romantik nachsagt. Leise Schwermut liegt tatsächlich hinter der schönen Oberfläche und das Zitat des Lieds „Sehnsucht nach dem Frühling“ im Finalrondo kommt wohl nicht von ungefähr. Maria João Pires streichelt die Tasten geradezu, voll verinnerlichter Poesie, fein akzentuierend und sensibel auf das von Maestro Ticciati gefühlvoll angepasste Orchesterspiel reagierend. Mit dem Begriff „apollinische Schönheit“ muss man bei Mozart aufpassen, er greift zu kurz. Diesmal passte er aber auf wundersame Weise. Als Zugabe gab es dann doch noch den berückenden langsamen Satz des C-Dur-Konzerts KV 476 – und da klappte es nicht ganz so gut mit der Balance zwischen dem eher herben Orchester und der Introvertiertheit des Klavierspiels. Jedenfalls war es schön, der großen Pianolyrikerin wieder einmal zu begegnen.

Das schottische Kollektiv, ein relativ großes Kammerorchester, ist auch in der großen Romantik daheim und Robin Ticciati liebt satte Effekte. Antonín Dvořáks „Legenden“ in der Orchesterfassung, von denen fünf gespielt wurden, scheinen da mitunter ein wenig mehr bei „Pomp ans Circumstance“ angesiedelt als in den Bereichen der „slawischen Seele“ – doch aufgepasst, schon der alte Hanslick schrieb anno 1881 vom „markigen, fast schroffen Thema“ etwa der 4. Legende. Die farbig instrumentierten, nicht als Programmmusik, sondern im poetischen Sinne Schumanns konzipierten Tonbilder machten gehörigen und recht lautstarken Eindruck. Nun hatte ja auch der böhmische Meister ähnlich wie vor ihm Joseph Haydn eine starke Beziehung zum angelsächsischen Musikleben. Trotzdem wäre es in einem Konzert eines britischen Orchesters erfreulich, einem Stück des auf unserer Seite des Ärmelkanals sträflich vernachlässigten britischen Repertoires zu begegnen, etwa Vaughan Williams’ wunderbarer Tallis-Phantasie oder einem Stück von Arnold Bax oder Gustav Holst. Und Brittens „Simple Symphony“, auch bei uns populär, wäre eine bessere Einstimmung auf das Nachfolgende gewesen.

Nach der Pause folgte Haydns Krönung der Londoner Symphonien und überhaupt seines gewaltigen symphonischen Kosmos, die so genannte „Salomon“, in D-Dur Nr. 104. Wie nahe da Beethovens Energien schon sind, machte Robin Ticciati mehr als deutlich, mit harten, oft knalligen Akzenten. Die Barockpauke darf mit scharfer Wucht bedient werden, die Naturhörner und ventillosen Trompeten tönen oft überrumpelnd gellend, aber präzis. Dazwischen gibt es freilich manch leisere Klangmalereien der sonoren Streicher, gegen welche die auftrumpfenden, derb tänzerischen Abschnitte desto mehr kontrastieren. Und das „Finale spirituoso“, einer der genialsten symphonischen Sätze überhaupt, zündete mit einem Feuer, in dem der „spirit“, der Geist, unterzugehen drohte. Eine radikale Sichtweise, die durchaus lustvolle Momente bescherte.

Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher (1); DGG / Felix Boede (1)