Geschnittene Nudeln, zerpflückte Rosen

MOZARTWOCHE / SALOMONS REISE

05/02/17 In der Postkutsche reiste man nach Prag - kräftig geschüttelt, nicht gerührt. Im Flugzeug flog man zurück nach Wien, vielleicht aber auch direkt nach London. Dazwischen kam das Ritterschwert zur Anwendung. Das weiße Papiersackerl war nur auf der Hinfahrt nötig, natürlich dem Tenor, dem man auch sonst vieles nachsehen muss: „Er liebt die geschnittenen Nudeln zu sehr.“

Von Heidemarie Klabacher

Eine poetisch musikalische Gedankenreise – zur großen Gedenkstunde in Prag wenige Tage nach Mozarts Tod – hat man erwartet. Geworden ist es ein etwas schriller Klamauk inklusive Harnisch, Schwert und Dinosaurier. Mit wie wenigen Griffen in die Klamottenkiste man Klamotte machen kann, das erstaunte schon sehr am Samstag (3.2.) bei der Matinee „Salomons Reise“. Doch zugleich staunte man darüber, mit wie wenigen Gesten und Blicken eine große Sängerin und zwei große Sänger die farbige Intensität ganzer Opernszenen atmosphärisch in den Raum zaubern können.

Die angekündigten Sänger Schade, Karg und Walser wurden gnadenlos von der Bühne weg gefeuert: Dafür sorgte der Impresario Johann Peter Salomon in Gestalt des Schauspielers Florian Teichmeister. Kurzfristig engagiert wurden dafür Valentin Adambeger, Nancy Storace und Francesco Benucci, die größten Stars der Mozartzeit: Sie waren die von Mozart geliebten und verehrten Sänger in den Uraufführungen von „Don Giovanni“ oder „Figaro“ oder „Così“.

Michael Schade sang die Arie des Don Ottavio „Dalla sua pace“ aus „Don Givovanni“. Es ist immer wieder ein Erlebnis, ja ein Staunen, Michael Schade zu hören und den weichen und zugleich strahlenden Klang zu erleben, den er seiner Stimme auch in den höchsten Lagen mit schierer Leichtigkeit zu verleihen weiß. Christiane Karg gab dazu nur eine stumme Donna Anna, aber ihre Präsenz und Ausstrahlung verliehen der fragmentarischen Szene die Intensität einer „echten“ Opernszene.

Eine solche gestaltete die Sopranistin mit Rezitativ und Arie der Susanna „Deh vieni non tardar“, der „Rosenarie“ aus „Le Nozze di Figaro“. Der Bariton Manuel Walser trumpfte buffonsek überzeichnet mit der Arie des Guglielmo „Rivolgete a lui lo sguardo“ aus „Così fan tutte“ auf. Und als Karg und Walser das Duettino Susanna/Graf „Crudel! perchè finora“ aus dem „Figaro“ sangen und der verunsicherte Dritte im Hintergrund eine Rose zerpflückte – Sie liebt mich, liebt mich nicht – war auch das bewegend.

Weil der kapriziöse Tenor dann unbedingt „was Deutsches“ singen wollte, ließ ihm der Impresario Mozarts Arie für Tenor „Müsst ich auch durch tausend Drachen“ KV 435 durchgehen: „Wann kommen die noch auf die Idee, die 'Nibelungen' zu vertonen“, fragte sich der umtriebige Veranstalter und Agent Salomon. Er drückte mit den Worten „Wenn schon Deutsch, dann aber richtig“ dem Sänger ein mächtiges Ritterschwert in die Hand...Die poetische Anfangsszene am „Grabe“ Mozarts (welches in Prag erst jüngst aufgefunden wurde) mit den leitmotivischen weißen Rosen war zu diesem Zeitpunkt längst vergessen. Das dramaturgische Konzept war ein Gemeinschaftsprodukt, Regie führten Veronika Zimmermann und Alexander Hauer.

Bei allen singenden Stars von Gestern und Heute: Der Star der Matinee war das „Bach Consort Wien“ unter der Leitung von Rubén Dubrovsky. Das Barockensemble und sein Leiter haben mit ihrem so beredeten wie unprätentiösen Originalklang eine Visitenkarte abgeworfen, die bald zu einem vollwertigen Engagement führen möge. Das war ein pulsierender facettenreicher Mozartklang, berstend von Energie und vorwärts drängender Verve, aber ganz ohne alttönerisches Forcieren nur um des Forcierens willen. Rubén Dubrovsky und die Seinen überzeugten – in der Begleitung der Gesangsstücke und in „umrahmenden“ Sinfoniesätzen – mit präziser, organisch atmender Phrasierung, mit harmonisch aufgebauten Entwicklungen in Agogik und Dynamik – und mit virtuosen Einzelleistungen in den Instrumentalsoli. Diese Orchesterqualität verlieh der dramaturgisch disparaten semi-szenischen Produktion Rundung und Halt.

Bild: ISM/Wolfgang Lienbacher
Zum DrehPunktKultur-Vorbericht Liebes Manndel, wo ist's Bandel?