asdf
 

Weltverbesserung mit der Laserkanone

MOZARTWOCHE / T.H.A.M.O.S.

25/01/19 Die Felsenreitschule ist der Bühnenraum in Salzburg mit dem größten Luftraum – wie geschaffen für die Techno-Installationen und die Luftakrobaten von La Fura dels Baus. Sie ist freilich nicht zwingend auch eine Bühne, die viel heiße Luft verträgt. Was nach der wüsten Bilder- und Textorgie in der Auftakt-Premiere der Mozartwoche am Donnerstag einigermaßen beruhigte: Mozarts Musik – unter anderem die Bühnenmusik zu Thamos – ist trotz alledem einigermaßen unbeschadet davongekommen.

Von Reinhard Kriechbaum

Aber was heißt schon Thamos? T.H.A.M.O.S. heißt die Produktion. Jeder Punkt gibt dem optisch geradezu bombastisch Aufgemotzten Bedeutungsnachdruck. Das Schauspiel eines gewissen Tobias Philipp Freiherrn von Gebler, zu dem Mozart die Bühnenmusik schrieb, ist ein Weltverbesserungsdrama im Sinne des Aufklärung, gefiltert durch freimaurerische Ideen. Carlus Badrissa von La Fura dels Baus siedelt seine Science-Fiction-Story in „nicht allzu ferner Zukunft“ an, nicht ohne auch ausgiebig das uralte Ägypten zu bebildern. Die Spitze einer Laser-Pyramide ist von Bühnennebelwolken umflort. In Projektion dahinter andere Pyramiden, aus Thailand und Mexico. Und das Matterhorn, auch spitz. So ist dem fehlenden europäischen Pyramidenglück leicht nachzuhelfen. Wenn schon keine Pyramiden, haben wir wenigstens die Postmoderne, und so werden die Rankünen zwischen Thamos, dem aufgeklärten Gutmenschen-König und seinen bösen Gegenspielern als Mythen-Eintopf angerührt, als ein Fastfood-Menu à la future mit hohem Anteil an ungesättigten Gedankenfettsäuren. In anderthalb Stunden ist's gefressen. Leider nicht ganz so schnell verdaut.

Der Inhalt ist völlig belanglos: Nachdem der Diktator Ramses ins Jenseits befördert ist – Einbalsamierung zur Sarastro-Arie „In diesen heil'gen Hallen“ – ist Thamos dran, der (wir zitieren den Regisseur) „ein Erfinder und wahrer Demokrat“ ist. Eine tolle Maschine hat er erdacht, die alle freie Energie der Welt absorbiert und „in Lebenskunst umwandelt“. Aber es gibt eben nicht nur in sich ruhende Fried-Glückler, sondern auch die von Handys getriebene, also versklavte Masse. Deren Lenker sind besondere Bosnigeln, die wie Spiderman und -woman senkrecht über die Arkadenwände der Felsenreitschule turnen oder durch die Lüfte wirbeln. Die Priesterin Mirza und der Offizier Pheron haben es faustdick hinter den Ohren und die illusionistische Theatermaschinerie hinter sich.

Da wird also bebildert auf Teufel-komm-Raus, in einem Bombardement aus Lichteffekten und Pyrotechnik. Es gibt neue Melodramen-Intermezzi aus elektroakustischer Musik. Die Gerrätschaften für die Live-Elektronik machen auch optisch viel her und lenken glücklicherweise von den Texten ab, einer Pseudo-Philo-Sauce aus Platitüden und Stilblüten: „Wir sind dem Verlust der Schönheit, der Entführung der grausamen Globalisierung, dem Zwielicht heimlicher Augen im verbindlichen Zeitalter der Menschen ausgesetzt.“ Da hilft eben nur: „Lass das Blut fließen, die Menstruation der Sinne!“ Die hohlen Phrasen richten sich selbst.

Die Leute von La Fura dels Baus verstehen sich freilich auf Imagination. Wenn die Gitter aus den Arkaden der Felsenreitschule gesprengt werden und die Tiefe stürzen, wenn sich Felsbrocken lösen und ganze Steinwände zu zerbröseln scheinen, hält man schon kurz den Atem an. Solche Perfektion der Projektionen braucht's auch dringend zum Neutralisieren des Banalen.

Ach ja, Musik. Die Dirigentin Alondra de la Parra, in New York aufgewachsene und ausgebildete Mexikanerin, hält die Camerata Salzburg und den in der weitläufigen Szene im Übermaß beschäftigten Salzburger Bachchor zusammen. Das ist schon eine große Leistung angesichts der Distanzen und der Betriebsamkeit. Die Bühnenmusik zu Thamos – Chöre, Zwischenaktmusiken, ein Melodram – sind nicht das Material, mit dem man weiß Gott punkten könnte. Aus der „Zauberflöte“ hat man die beiden Sarastro-Arien und Paminas „Ach ich fühl's“ geborgt (letztere wird textlich ein wenig umgebogen), aus Zaide die Arie „Tiger! Wetze nur die Klauen“, dazu noch eine Jugendsymphonie. Zusammen mit der „algorithmischen Musik“ von Urbez Capablo ergibt das anderthalb Stunden Musik. Sängerische Leistungen? Darum geht’s in dieser Produktion echt nicht.

Wie mag die Sängerbesetzung zustandegekommen sein? Hautfarbe und Sprache waren vielleicht Kriterien. Jede und jeder rezitieren ihre Texte nämlich in je eigener Muttersprache: die Sopranistin Fatma Said auf Arabisch, der Tenor Nutthaporn Thamathi auf Thai, der Bass René Pape auf Deutsch. Spanisch und Katalanisch ergänzen die durch Textprojektion wieder aufgehobene babylonische Sprachverwirrung. Aber in Babylon versuchte man's mit einem Turm, nicht mit einer Pyramide.

Weitere Aufführungen am 28.1. (20 Uhr) und 1.2. (15 Uhr) in der Felsenreitschule – www.mozartwoche.at
Bilder: ISM / Matthias Baus

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014