Steine im Fluss der Heiterkeit

MOZARTWOCHE / ERÖFFNUNGSKONZERT

23/01/20 Rolando Villazón ist omipräsent. Noch bevor er am Donnerstag (23.1.) Publikum und Orchester zum Eröffnungskonzert mit einem kräftigen Hallo! begrüßte und einem aufmunternden Vamos¡in die Mozartwoche führte, kam die Stimmte des Intendanten vom Band und bat, die Mobiltelefone auszuschalten.

Von Heidemarie Klabacher

Mit Erfolg: Zumindest beim ersten Konzert der Mozartwoche 2020 bimmelte, schellte oder schrillte keiner hinein in die so feinsinnig wie dynamisch daherkommende Interpretation der Dirigentin Kristina Poska am Pult des Mozarteumorchesters. Mit Kristina Poska, Christina Pluhar und Elisabeth Fuchs hat Rolando Villazón heuer übrigens gleich drei Dirigentinnen zur Mozartwoche eingeladen. Eine erfreuliche Richtung, die er 2021 mit Keri-Lynn Wilson oder Giedré Slekyte fortsetzen wird.

Mit der Symphonie A-Dur KV 114 und der Symphonie C-Dur KV 200, entstanden 1771 und 1773, standen zwei Schlüsselwerke auf dem Programm: Werke, anhand derer die Entwicklung vom „jungen“ zum „reifen“ Schaffensstil Mozarts nachvollziehbar wird. Wie delikat, temperamentvoll und zugleich klangsinnlich haben Kristina Poska und das Mozarteumorchester die musikalischen Linien nachvollziehbar gemacht, die spannungsvollen Reibungen im ersten Satz von KV 141 ausgekostet, im aufregenden Kontrast etwa zum ganz und gar kammermusikalisch daherkommenden Andante... Die Delikatesse des Jugendwerks – 1771 war Mozart fünfzehn – aufzufächern, ohne es „interpretatorisch“ zu überfrachten, war das beglückende Einstandsgeschenk von Kristina Poska an das Mozartwochen-Publikum.

Mit der selben Leichtigkeit und dem selben glasklaren Blick zwischen die Zeilen der Partitur ließen Dirigentin und Orchester die Symphonie C-Dur KV 200 erstrahlen. Was zwei Jahre und 61 KV-Nummern früher noch so gut wie unbeschwerte Heiterkeit vermittelte, trug 1773, da war Mozart also Siebzehn, bereits Dramatik und Schatten und die Ahnung von Dunkelheit in sich. Nicht genug ist zu schwärmen von der puliserenden vorwärtsdrängenden Kraft, mit der Kristian Poska dieses Kleinod aufglühen ließ, unter raffinierter Nutzanwendung der Virtuosität der Streicher wie – ganz besonders – der Bläser. Da sind schon verborgene Steine im Fluss der pulsierenden Heiterkeit. Da lassen die Lieblichkeit der Meldodieführung und der Harmonik schon komplexe Gegenwelten ahnen. Da klingen die im Menuett markanten Echowirkungen der Hörner wie Vorausdeutungen auf die Oper. Das Finale – ein Wirbelsturm, der mit jedem Einatmen noch mehr an Dynamik und Energie gewinnt: Ein grandiose, feinsinnig wie dynamische daherkommende Interpretation, eine beglückende Begegnung mit der Dirigentin Kristina Poska, der bald eine weitere folgen möge.

Gar nicht so oft erklingt im Konzert das Regina coeli für Sopran, gemischten Chor, Orchester und Orgel KV 108: Es sang mit dynamischer Kraft und vollendeter Balance der Arnold Schoenberg Chor, den Solopart gestaltete untadelig, bei Möglichkeit zu präziserer Textgestaltung, die Sopranistin Claire Elizabeth Craig mit betörend weitgespannten Linien des flehenden „Ora pro nobis“. Auch hier bewies Kristina Poska, die sich ihren Namen in der internationalen Musikszene ja nicht zuletzt als Operndirigentin erworben hat, ihr Gespür wohldosierte Dramatik.

Ceterum censeo... Es wurde oben erwähnt, dass Rolando Villazón mittels Handy-Mahnung jetzt in jedem Konzert mitmischt. Nicht erwähnt wurde, dass er auch bei dieser Gelegenheit den Schlachtruf tönen lässt: „Mozart lebt!“ Wir haben es schon geahnt...

Bild: ISM / Wolfgang Lienbacher
ORF-Sendung - Sonntag 26. Jänner 11.03 Uhr Ö1
www.mozartwoche.at