Reality Soap samt häuslicher Gewalt und Stimmverlust

HINTERGRUND / MOZARTWOCHE / MOZART SALIERI & STORACE

19/01/24 Gestern Donnerstag den 13:ten holte ich Salieri und die Cavalieri mit den Wagen ab, und führte sie in die Loge. … Du kannst nicht glauben wie artig beide waren, – wie sehr ihnen nicht nur meine Musick sondern das Buch und alles zusamen gefiel.

Von Heidemarie Klabacher

„Diese Zeilen über eine Aufführung der Zauberflöte, die Wolfgang Amadé Mozart am 14. Oktober 1791 an seine Frau Constanze im Kurort Baden bei Wien richtete, wo sie sich von den Strapazen der Geburt des jüngsten Kindes Franz Xaver Wolfgang erholte, gehören zu den wenigen Briefstellen, in denen er sich über Antonio Salieri äußert“, schreibt Ulrich Leisinger in seinem Essay zum Konzert Briefe und Musik. Salieri, Mozart und Nancy Storace im Almanach der Mozartwoche. Die wenigen Zeilen seien „wenig geeignet, die Mär eines schwierigen Verhältnisses zwischen den beiden Rivalen um die Gunst des Publikums aufrechtzuerhalten“, schreibt Leisinger und betont: „Von Salieri ist umgekehrt nicht eine Zeile über oder gar an Mozart überliefert.“ Auch die Mär, dass Salieri seinen Widersacher ignoriert oder bewusst totgeschwiegen habe lasse sich nicht aufrecht halten: „Schade nur, dass Salieri kein großer Briefschreiber war und von ihm kaum eine Zeile privater oder auch nur persönlicher Natur erhalten ist.“

„Für das Mozartwochen-Format Briefe und Musik auf den ersten Blick ein Desaster, denn es bliebe nur ein Flickenteppich aus dem Zusammenhang gerissener Briefstellen.“ Leisinger zitiert aus einem Brief Leopolds von 29. November 1785 an Maria Anna, „... dann wird noch eine opera Buffa dazu gegeben: La Fiera di Venezia vom Salieri, die mir Wehe thut; weil sie in der That, was die Musik betrift,voll der ausgepeitschtesten gemeinsten Gedanken, altvätterisch, gezwungen und sehr Leer an Harmonie ist“. Ein paar Jahre vorher,1773, hatte Leopold offensichtlich noch eine bessere Meinung von dem Stück, da dienten ein paar Takte daraus als Unterrichtsmaterial für den jugendlichen Wolfang...

Es stimmt nicht, dass es keine augenzeugen für Begegnungen zwischen Mozart und Salieri gegeben hätte. Ulrich Leisinger berichtet im Almanach: „Mozart und Salieri trafen sich regelmäßig im alten Burgtheater, an dem die Hofoper ihren Sitz hatte – Kapellmeister der k. k. Hofmusikkapelle wurde Salieri erst 1788. Es ist ein Glücksfall, dass der Bassist Michael Kelly (1762–1826) am Ende seines Lebens in seinen in London gedruckten Memoiren ausführlich über seine Anstellung als Opernsänger Wien in den Jahren 1783 bis 1787 berichtet. Kelly kannte Mozart (bei der Uraufführung des Figaro übernahm er die Doppelrolle des Basilio und Don Curzio), er kannte Salieri, er kannte jedes Mitglied des Opernensembles; somit konnte er in einem anregend-charmanten Plauderton von ihren Stärken und Schwächen, von ihren Triumphen und Niederlagen berichten.“ Michael Kelly behaupte, so zitiert Leisinger, „dass er Salieri als einen gutmütigen Menschen kennen und schätzen gelernt habe, der niemandem etwas Böses wolle“. Freilich soll es 1785 um die Premiere von Le nozze di Figaro herum einige Spannungen gegeben haben.

Da kommt nun Nancy Storace in Spiel, die berühmteste Sängerin ihrer Zeit, primadonn assoluta, mit deren Gesundheit der Betrieb an der Hofoper stand und fiel, denn „damals konnte man nicht wie heute ohne Weiteres gleichwertigen Ersatz herbeiholen, und die Wiener Oper war personell keineswegs überbesetzt“. Die sehr junge, 1783 mit nur 18 Jahren an die Hofoper verpflichtete Storace hatte im Jahr darauf einen leider trunsüchtigen und gewalttätigen Geiger geheiratet, „der von Joseph II. wegen häuslicher Gewalt des Landes verwiesen wurde – noch bevor das gemeinsame Kind am 30. Jänner 1785 auf die Welt kam. Bis 14 Tage vor der Geburt war die Sängerin „fast jeden zweiten Abend aufgetreten, unter Arbeitsbedingungen, die heute hoffentlich undenkbar wären“, erzählt Ulrich Leisinger: „Aufführungen dauerten oftmals vier Stunden und mehr, der Erfolg beim Publikum wurde durch Da-Capo-Wünsche zum Segen und Fluch zugleich. Hinzu kam eine massive Belastung durch den Ruß von all den Hunderten von Kerzen, die die Szenerie, den Orchestergraben und das ganze Theater beleuchteten (von Zugluft und Kälte im Winter ganz zu schweigen.“ … Das Jahr ging unglücklich weiter. „Noch während der Zeit der Erkrankung starb ihr Kind Maria Anna am 17. Juli 1785.“ Und irgendwann war die Stimme weg.

Erst am 12. Oktober 1785 konnte die mehrfach verschobene Premiere von Antonio Salieris Oper Grotta di Trofonio im Schloss Laxenburg für die Kaiserliche Familie stattfinden. Und dann ging es langsam Richtung Uraufführung und Premiere von Mozarts Le nozze di Figaro im Jahr 1786 mit der Storace als Susanna. „Für das Abschiedskonzert der Storace (aus Wien, Anm.) am 23. Februar 1787 komponierte Mozart ein außergewöhnliches Werk, die Scena mit obligatem Klavier KV 505, wobei er den Text Non temer, amato bene einer im Vorjahr für Idomeneo nachkomponierten Nummer entnahm“, fasst Ulrich Leisinger zusammen.

Das Programm Briefe und Musik kommt dreimal während der Mozartwoche im Tanzmeistersaal (26. und 29. Jänner sowie 1. Februar jeweils um 17 Uhr). Es zeichne, so Leisinger, „die Geschichte von Salieri, Mozart und der Storace lebendig nach“. Erklingen werden Vokalwerke von Mozart, Salieri, Cornetti und Sardi verbunden mit Texten, „die überwiegend von Michael Kelly – vom Beginn seines Engagements in Wien bis zur gemeinsamen Reise mit den Storaces nach London – stammen“. Die Sopranistin Tamara Ivaniš wird von Carlos Goikoetxea auf Mozarts „Walter“-Flügel begleitet. Es rezitiert Stefan Wilkening.

Die Mozartwoche 2024 von 24. Jännner bis 4. Februar – Konzerte, Karten, Informationen – mozarteum.at  – mozarteum.at
Bilder: ISM; Berlin akg-images / De Agostini Picture Library; Zeljko-Zaplatic