Mit der Wahrheit missfallen

MOZARTWOCHE / LA CLEMENZA DI TITO

26/01/24 Auftritt Jordi Savall als Spanischer Grande. Ebenholzstock mit Silbergriff. Gemessener Schritt. Jeder Zoll ein Maestro. Genau so lässt er dann auch drei Stunden lang Mozarts letzte Oper klingen. Interpretatorisch ein wenig aus der Zeit gefallen. – La clemenza di Tito unter Jordi Savall als – bejubeltes – Sängerfest in der Felsenreitschule.

Von Heidemarie Klabacher

Tatsächlich schien Jordi Savall am Pult von Le Concert des Nations über lange Passagen hinweg den Vokalisten die Führung zu überlassen, und nur in den dramatischeren Momenten mal kurz in die Zügel zu greifen, um Tempo und Agogik ein wenig anzuziehen. In diesen Momenten wirkte dann auch der Sound des (zu?) klein besetzten Originalklangensembles nicht verloren im Riesenraum der Felsenreitschule. Die vielen Arien des Bereuens und Verzeihens hätten einer strengeren Hand bedurft. So fad ist die Reue nicht.

Mozarts La clemenza di Tito KV 621 also in einer halbszenischen Einrichtung von Rolando Villazón und Bettina Geyer bei der Mozartwoche. Eine „Nicht-Inszenierung“ ist im Falle dieser Oper, geschrieben anlässlich der Krönung Kaiser Leopolds II. zum König von Böhmen, abgesehen von den eingesparten Kosten, durchaus eine gute Idee.

Das Herrscherlob ist dick aufgetragen. Der „römische“ Kaiser, der – statt Verräter an die Löwen zu überweisen – immer wieder auch die andere Wange hinhält für den nächsten Schlag: Die Assoziationen zum verzeihenden Jesus sind im Libretto von Catterino Mazzolà dick unterstrichen.

Das muss eine Regie radikal unterlaufen oder eben stehen lassen. Hände-Ringen und Rampen-Singen sind bei einer Nicht-Regie in Kauf zu nehmen.Die Arkaden der Felsenreitschule sind dafür ein fix und fertiges Bühnenbild. Für das brennende Rom reicht rotflackernde Beleuchtung. Dank Mozarts Musik hält man ohnhin denn Atem an. Ein goldenes Sakko für den Kaiser, ein paar Gold-Accecoires für die anderen sind genug der Ausstattung. Den Damen in ihren Hosenrollen hätte man freilich besser geschnittene Anzüge gewünscht.

Edgardo Rocha ist sehr junger Titus von klangvoller, wenn auch noch ein wenig steif geführter Stimme. Hanna-Elisabeth Müller als Vitellia brilliert, ohne Schärfe in der Stimme, mit virtuosen Koloraturen. Sie gibt der intriganten, erst auf den letzten Metern bereuenden Prinzessin Profil und Charakter.

Christina Gansch betört mit samtweicher geschmeidiger Stimme als Servilia. Diese wagt es, sich dem den Heiratsbefehl des Kaisers zu verweigern. Dafür erringt sie dessen Dankbarkeit: Wenn es mehr Menschen wagten, ihm „mit der Wahrzeit zu missfallen“, wäre besser herrschen, so Titus. In der Hosenrolle des Annio (für den Servilia den Kaiser abblitzen lässt) beschert Marianne Beate Kielland weitere Sopran-Highlights. Für das tiefe Stimmregister steht souverän Salvo Vitale als Publio.

Mozarts Tito könnte genauso gut Sesto heißen: In der zentralen Rolle des von der intriganten Vitellia zum Kaisermord angestifteten Getreuen brilliert Magdalena Kožená. Sie gibt stimmlich wie darstellerisch ein überzeugendes Rollenporträt. Der Kožená verdankt man den Höhepunkt des Abends mit Sestos Arie mit obligater Bassettklarinette Parto parto ma tu ben mio. Da hätte man die berühmte Stecknadel fallen gehört, hätte jemand gewagt, einen solchen Lärm zu machen.

La clemenza di Tito – weitere Aufführungen am Sonntag (28.1.) um 15 Uhr und am 2. Februar um 19.30 in der Felsenreitschule – mozarteum.at
Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher