Mozart – ein Ziel, ein Jenseits

IM WORTLAUT / MARC MINKOWSKI

Von Marc Minkowski

alt17/12/10 Als ich zum ersten Mal die Ehre hatte, an der Pariser Oper eingeladen zu werden, war es, um eine Oper Mozarts, „Idomeneo“, zu dirigieren. Als ich zum ersten Mal in Salzburg die Möglichkeit hatte, mich beim hoch angesehenen Sommerfestival zu präsentieren, war es, um eine andere Oper Mozarts zu dirigieren: „Die Entführung aus dem Serail“.

Man könnte also meinen, dass für mich – wie für so viele Dirigenten der Vergangenheit und der heutigen Zeit – Mozart ein „erster Versuch“ darstellte, ein Versuchsgelände, ein Sprungbrett zu den Sternen der Bühnenkunst: Verdi, Wagner oder Strauss.

Im Gegenteil, ich fühle seit eh und je, dass Mozart ein Ziel ist, ein Jenseits, das zu überschreiten nicht möglich ist. Obwohl er uns ganz direkt und natürlich vorkommt, beeindruckt er mich. Ich habe wenige Werke dieses Komponisten aufgenommen: zwei Symphonien – etwas spät, einige Opern in Transkriptionen für Bläseroktett, aber nie in der Originalfassung. Wenn ich das Glück gehabt habe, oft und überall seine Messen, Symphonien, Serenaden, Konzerte und seine wichtigsten Opern zu dirigieren, wenn ich mich mit großer Rührung an einige denkwürdige Experimente erinnere – meine erste „Hochzeit des Figaro“ in englischer Sprache in Toronto, eine in einen elektronischen Traum verwandelte „Zauberflöte“ an der Ruhr, die Anfänge von Richard Croft in der Titelrolle des „Idomeneo“, als ich Musikdirektor der Vlaamse Opera war, und außerdem in Salzburg die so tiefgründige und humane „Entführung“, die mein Debüt im Residenzhof war, die „Mitridate“-Aufführung des 250. Geburtsjahres, der tragische „Idomeneo“ in der Inszenierung meines Freundes Olivier Py im Rahmen der Mozartwoche 2010 und mehrere Interpretationen der c-Moll-Messe, die sich alle in meinem Gedächtnis geprägt haben – ja, auch wenn Mozart mein Pult nie verlässt, kommt es mir vor, als gäbe es alles noch zu entdecken.

„Was gibt’s Neues? – Mozart“. Der Spruch ist verbraucht, aber er drückt genau das aus, was ich heute fühle. Mit der Leitung der Mozartwoche betraut worden zu sein (ein Festival, das ich gut kenne und das mich regelmäßig zu seinen Gästen zählt), erfüllt mich natürlich mit Stolz und großer Freude – aber mehr noch mit Ungeduld. Ich sehe diese Berufung nicht als Bestätigung der Arbeit der letzten Jahre, sondern vielmehr noch als ein Versprechen für die künstlerische Arbeit der Zukunft. Mögen die Musiker und das Publikum diesen Hunger auf Unbekanntes mit mir teilen!

Bild: ISM / Marco Borggreve
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