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Die vollendete Harmonie in den Dissonanzen

Von Reinhard Kriechbaum

Nach drei Jahrzehnten - es ist ja Ensemble-Jubiläum heuer - ist da sagenhafte Vertrautheit, aber auch nicht wenig individuelles Selbstbewusstsein. Sonst könnte Quartettspiel über so lange Zeit und doch entscheidende musikalische Reife-Sprünge der Mitglieder hinweg ja gar nicht so lebendig bleiben. Am Beispiel des Dissonanzen-Quartetts wurde dies am Sonntag (23.1.), in einem Nachmittags-Musikmarathon mit einer Uraufführung und zwei kapitalen Kammermusikwerken Mozarts, geradezu idealtypisch vorgeführt. Intensiv bringt da ein jeder die Klangfarbe seines Instruments - oder einfach: sich selbst - ein in die Adagio-Takte, in denen sich die namensgebenden Reibungen verdichteten wie kaum einmal. Mutig, bei aller Leisheit! Nach so viel freigesetzter Energie fand man sich, wenn auch als Hörer vertraut mit dem Werk, ganz neu eingestimmt – und entdeckte prompt manch andere Dissonanzen, Querständisches, über die sonst nur allzuschnell hinweg gespielt wird. Die Hagens drehen die Temposchraube ganz weit hinunter, und sie lassen sich auch Zeit für alle Wiederholungen: beständiger Zwang zur Konzentration.

Es muss auch für einen Ausnahme-Bläser wie Jörg Widmann eine Herausforderung sein, sich hinein zu schmiegen in ein so perfektes Ensemble, Widmann ist ja einer, der perfekt der Physik ein Schnippchen schlägt und einen so singenden Ton erreicht, dass man nie und nimmer glauben würde, dass da ein Rohrblatt schwingt. Eigentlich war er an diesem Nachmittag im Klarinettenquintett der fünfte Streicher in der Runde …

Die Stiftung Mozarteum, KölnMusik und die Wigmore Hall London haben bei Georg Friedrich Haas ein Streichquartett in Auftrag gegeben, das uraufgeführt wurde. Man kennt Haas‘ Affinität zu Mikrotönen, man weiß, wie er Klang gleichsam schichtet und eine neue harmonische Aura suggestiv sich entfalten lässt. Das ist oft verführerisch-süffig, und auch im Fall dieses Streichquartetts (seines sechsten schon) darf man sich als Hörer getrost einlassen auf die Reise durch endlose Glissandi und Tremolo-Effekte, in denen flirrende Harmonieschichtungen in intensiven Unisono-Tönen münden, die sich wiederum aufsplitten zu gestenreichen Tongebilden. Passt nicht schlecht ins klassische Umfeld, dieses neue Haas-Stück.

Und noch ein zeitgenössisches Werk in diesem Mammut-Programm: Wenn man schon Jörg Widmann bei der Hand hat und Heinz Holliger Composer in residence ist, dann liegt das Solostück „Rechant“ nahe - ein melodisch ausgreifender Klagegesang, in dem tonliche Wandelbarkeit verlangt ist (manche Floskel wirkt wie in feinem Faden aus dem breiten Melos herausgezogen). Auch die Möglichkeit, auf der Klarinette gleichzeitig zwei Töne zu spielen,  wird in „Rechant“ subtil genutzt.

ORF-Übertragung am Freitag, 4. Fevruar um 19.30 Uhr, Ö1

 

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