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Ein Hörspiel und doch ganze Oper

Von Reinhard Kriechbaum

Es gibt René Jacobs‘ viel gepriesene „Zauberflöten“-Deutung auf CD. Man war bei der Mozartwoche bestens beraten, die mehrheitlich gleiche Interpreten-Konstellation zu einer konzertanten Wiedergabe ins Große Festspielhaus einzuladen. Ein exponierter Ort, laufen doch hier die Festspiele selber – sagen wir ruhig: seit Jahrzehnten – dem idealen Mozart-Ensemble nach. Gerade im Sprachlichen herrscht meist tollkühnes Esperanto. Diesmal aber: eine Referenz-Interpretation, auch bei der Live-Begegnung.

René Jacobs arbeitet gerne mit Verschränkung und sprachlichem Multi-Tasking. Die Dialoge reichen nicht selten in die Musik-Einleitungen hinein. Wenn zwei Figuren auf der Bühne ihre Gedanken äußern, dann tun sie das gelegentlich gleichzeitig. Das Hammerklavier kommt immer wieder zum Einsatz. Wenn Papageno seinem Leben ein Ende machen will und keinen Ausweg sieht, dann steuert der Pianist Motive aus der Sprecher-Szene bei. Köstlich der gekünstelte Singsang der drei Damen, die dadurch wie Wesen aus einer anderen (Halb-)Welt wirken.

Und was auch noch dazu kommt: ein akustisches Environement. Da erwacht Tamino aus seiner Ohnmacht bei Vogelgezwitscher. Aus den tropfenden Geräuschen während der Prüfungen dürfen wir auf Dunkelheit in einer Höhle schließen. All das regt an, schafft Bilder. Die Szene, ein Bühnenbild, Kostüme – man hat es an diesem Dienstagabend nicht vermisst. Das „Hörspiel“ hat alle Sinne angeregt.

Bei einem solchen Ensemble könnte man leicht ins Schwärmen kommen: Verbindend ist das Ungekünstelte. Es sind Menschen wie du und ich, nur dass sie eben singen. Daniel Behle – eine echte „deutsche“ Tenorstimme für einen Tamino ohne jede Geziertheit; Daniel Schmutzhard – ein Papageno ohne Kasperl-Züge, sondern einer mit viel aufrichtiger Sehnsucht; Marcos Fink – ein in keinem Satz salbungsvoller, besserwisserischer Sarastro, sondern einer, der auch in der Hallenarie die klare Argumentation sucht; Kurt Azesberger – auch er alles andere als eine bizarre Figur, sondern ein Monostatos, der seiner Andersartigkeit wegen in die Rolle des Schurken gedrängt wird, ein Ausländer eben.

Über die Maßen zerbrechlich wirkt Lydia Teuscher als Pamina, aber es bestätigt sich, dass es im Großen Festspielhaus nicht unbedingt eine „große“ Stimme braucht. Das „Ach, ich fühl’s“ legt René Jacobs übrigens äußerst sängerfreundlich an nachgerade flott. Überhaupt: Während rundum die Klangredner bei Mozart die neue Langsamkeit entdeckt haben, dreht René Jacobs in der „Zauberflöte“ recht eigenständig an der der Temposchraube. Die ihm kompromisslos und in innigster Vertrautheit folgende Akademie für Alte Musik Berlin bringt trotzdem eine Vielzahl von instrumentalen Besonderheiten heraus. Die Bläser, mit ein wenig Abstand zu den Streichern postiert, gewinnen schier ungeahntes Eigenleben. Es ist höchst ergiebig, den Bläser-Subtexten, deren Kommentar-Floskeln nach zu lauschen: Überraschungen und Un-Erhörtes sonder Zahl! Der Mann am Hammerklavier, der auch so fulminant leichte Glockenspiel-Töne zaubert, darf nicht unterschlagen werden: Christian Koch.

Wie viele Pausen-Zäsuren fallen René Jacobs doch im Chor „Das klinget so herrlich“ ein. Das ist nur ein Beispiel, wie er die Partitur von Grund auf neu liest und nicht nur mit neuen Artikulationsmöglichkeiten, sondern vor allem auch mit Phrasierungen experimentiert. Da dürfte des Beschreibens eigentlich kein Ende sein.

Mit den Drei Damen (Inga Kalna, Anna Grevelius, Wiebke Lehmkuhl) ist sprachlich und auch in der Timbre-Angleichung extrem genau gearbeitet worden. Lupenrein intonierend auch die drei Florianer Sängerknaben. Und bestens zum unprätentiösen Umfeld passend die Beiträge des RIAS-Kammerchors. Bleibt als kleiner Schatten eigentlich nur Burcu Uyar als Königin der Nacht. Alle anderen könnte man jederzeit in einer Festspielaufführung präsentieren, auch die Papagena von Sunhae im, die René Jacobs in seiner konzertanten Version mit Mozarts Lied „Die Alte“ einführt und Papageno einen Schluck Wasser im Weinglas kredenzen lässt. Ein wenig Szene wurde ja doch angedeutet, und so sind der „Sprecher“ Thomas E. Bauer und Joachim Buhrmann mit den Prüflingen auch als Priester und Geharnischte über das breite Podium gezogen. Kein falscher, aufgesetzter Ton auch in diesen Episoden.

Hintergrundinformationen zur CD-Produktion: http://die-zauberfloete.harmoniamundi.com

 

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