Andenken an Engel und Kapellmeister

MOZARTWOCHE / WIENER PHILHARMONIKER / BLOMSTEDT

27/01/11 Eigentlich wären zum zweiten „Philharmonischen“ bei der Mozartwoche Nikolaus Harnoncourt und Gidon Kremer eingeladen gewesen. Nach beider Absage (Harnoncourt krankheitshalber, Kremer als Reaktion darauf) kam es zum späten Debüt von Herbert Blomstedt  - sowohl bei der Mozartwoche als auch am Pult der Philharmoniker.

Von Reinhard Kriechbaum

altHerbert Blomstedt  (Jahrgang 1927) ist anderthalb Jahre älter als Harnoncourt. Ein singulärer Kapellmeister alten Zuschnitts, einer, auf den auch die Wiener Philharmoniker spürbar neugierig waren und dem sie im Fall von Mozarts großer g-Moll-Symphonie aufmerksam und hoch motiviert folgten. Vor einer solchen Wiedergabe verstummt jede Diskussion um historische Authentizität oder um Modernismen. Der ohne Dirigentenstab lenkende Blomstedt lässt keine Zweifel daran, wo er die Musik haben will. Unverzärtelt direkt steuert er hinein in den Kopfsatz, die Themen bekommen kräftige Konturen, das Gesangliche bleibt nicht außen vor.

Das war ein rundes, stimmiges Bild in symphonischer Breite und mit pastosem Farbauftrag. Aber wenn man genau hinein hörte etwa in die unzähligen Verarbeitungs-Varianten des Schlusssatzes dieser Symphonie, dann wurde einem sehr wohl auch das „Rednerische“ bewusst - angesiedelt freilich jenseits aller Moden und Ideologien. Auch das tut gut und hat einen guten Platz in der Mozartwoche: Man muss nicht immer auf dem neuesten oder den originellsten Zugang lauern, dem eigenbrötlerischsten altaltoder exzentrischsten Interpretationsansatz hinterher hetzen. Ein Musizieren wie jenes unter Herbert Blomstedt, wach und quick, in sich gerundet und ausgewogen, verdient das Wort „altmeisterlich“ als Adelsprädikat und keineswegs als leisen Vorwurf.

Vor der Pause das Violinkonzert von Alban Berg. Das ist bei den Wiener Philharmonikern nun sowieso bestens aufgehoben und hat in Christian Tetzlaff, diesen Musik-Denker mit dem untrüglichen Balancegefühl zwischen Analyse und dem tonlich Sinnlichen einen Interpreten gefunden, der sich im Wiener Umfeld so recht wohl und geborgen fühlen durfte.

Woran mag es liegen, dass man von mancher Wiedergabe, die aufs strukturelle Sezieren aus ist, weniger Einsicht mitnimmt als von dieser, die auf klangliches Verschmelzen, auf Farb-Symbiose zielte? Es hängt wohl mit der Affinität der Wiener Philharmoniker zur Tradition zusammen und damit, dass sich Alban Berg in seinem Violinkonzert  (seinem letzten vollendeten Werk) traditions-affin wie nie zuvor gegeben hat. Wie aufschlussreich, von Pult zu Pult dem Ländler-Motiv und anderem Zitat- und Paraphrase-Werk nachzuhorchen. Das wurde eben nie bloß gemäß der rhythmischen Notation, sondern immer mit dem Feeling für die kreative Abweichung ausgeführt. Herbert Blomstedt hat das umsichtig gelenkt, mit dem nötigen Respekt für die hier mögliche Eigenverantwortung des Orchesters.  Ein Dialog zwischen Kollektiv und Solist, der nicht „gemacht“, sondern wie organisch gewachsen ist. Schöner und zugleich ehrlicher geht’s nicht.

Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher