Tausend Blitze

MOZARTWOCHE / FREIBURGER BAROCKORCHESTER, QUASTHOFF

28/01/11 Kreuzritter und Heidenkönig kämpfen weniger ums Heilige Grab, als um eine schöne Frau (die einen anderen liebt), Zauberin und Seelenführer mischen mit. Abend- und Morgenland stehen Kopf in Joseph Haydns „Orlando Paladino“. Dramma eroicomico nennt er das.

Von Heidemarie Klabacher

altThomas Quasthoff hat mit zwei Arien aus diesem grandiosen musikalischen Spaß einen schillernden Bogen quasi über das ganze Werk gespannt: Für die „Mille Lampi“, die Arie des Rodomonte (das ist der Heidenkönig und Nebenbuhler des längst liebeswahnsinnig gewordenen Orlando) hat Thomas Quasthoff alle Register der stimmlichen Attacke gezogen. Das „Kampfschwert“ sprühte brillante Funken. Mit der Arie des Charon „Ombre isepolte“ führte Quasthoff in die Gegenwelt des Seelenführers, des ebenso gütigen, wie strengen Wächters an der Pforte zum Schattenreich: mit großen ruhigen, schier schwerelos schwebenden Linien in tiefster Lage.

Begleitet wurde Thomas Quasthoff vom Freiburger Barockorchester unter der Leitung von Gottfried von der Goltz, die es nicht weniger krachen und sprühen ließen, als weiland die Ritter und Helden.

altSolchen war die mitreißende Matinee am Donnerstag (27.1.) gewidmet - egal ob schon frühchristlich, wie Orlando oder Rinaldo, oder noch antik wie Orpheus oder Akteion. Letzterer müsste allen Salzburgern eigentlich innig vertraut sein, war seine Verwandlung in einen Hirsch voriges Jahr doch eines der Plakatsujets von Hellbrunn. Wasserspiele und Schloss erzählen mit Farbe und Stein alle diese Geschichten. Carl Ditters von Dittersdorf macht das mit Noten. Auch Kollegen mit noch größeren Namen hätten das kaum aufregender hinkriegen können: die Jagdgesellschaft mit den bellenden Hunden, die flirrende Mittagshitze, die alle ermüden und Diana ein kühlendes Bad nehmen lässt, die grausame Rache der Göttin, nachdem der Jäger Akteion sie nackt gesehen hat: Verwandelt in einen Hirsch wird er von seinen eigenen Hunden zerrissen …

Mitreißend, wie das Freiburger Barockorchester unter Gottfried von der Goltz diese komponierte Ovid-Metamorphose ihrerseits verwandelt hat - in farbigste Bilder.

Für viele wird es eine Erstbegegnung gewesen sein - mit Franz Ignaz Beck, einem gebürtigen Mannheimer, der um 1760 Kapellmeister in Bordeaux geworden ist. Auch in seiner Konzertouvertüre „La Mort d’Orphe“ geht es anschaulich blutrünstig zu: Der Gatte Eurydikes wird ja auch zerfleischt, nicht von Hunden, sondern je nach Textvariante, von Frauen oder Mänaden. Auch das ein aufregendes kleines Stück Programm-Musik, denkbar lebhaft erzählt vom Orchester.

Um Orpheus und Eurydike geht es auch in Joseph Haydns „L’anima del filosofo ossia Orfeo ed Euridice“ (die Werkdramaturgie war ausgefeilt). Hier trat Thomas Quasthoff mit zwei Arien des Creonte wieder in Erscheinung. Dieser Creonte fungiert als Euridices Vater, der in zwei Arien über die Liebe als solche nachdenkt. Thomas Quasthoff leiht ihm dafür den wundersamsten Schmelz auf seiner Stimme.

Mit dem ersten Satz von Joseph Hayds Symphonie d-Moll Hob. 1:80 haben die Musikanten des Freiburger Barockorchesters die unzähligen Stimmungen dieses abwechslungsreichen Reigens noch einmal zusammengefasst: Haydn schien sich über Gefühlsüberschwang elegent lustig zu machen, indem er Themen und Kontraste sich beinahe überstürzen lässt.

Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher