Nebeneinander

MOZARTWOCHE / MOZARTEUMORCHESTER / BOLTON

30/01/11 Vielleicht ist es undankbar, im Abstand von vier Tagen hinter Fazil Say herspielen zu müssen. Noch dazu mit einem der weniger „dankbaren“ Mozart-Konzerte. David Greilsammer (Klavier), Annette Dasch (Sopran) in der Matinee am Samstag (29.1.).

Von Reinhard Kriechbaum

altDavid Greilsammer, 1977 in Jerusalem geboren, in Italien, Frankreich, Israel und schließlich in den USA ausgebildet, setzt seine musikalisch-polyglotten Eindrücke, die er im Lauf seiner Jugend erfahren hat, gewiss optimal um. Einer wie er lässt sich nicht auf Extrempositionen ein, die Weltsicht schlägt sich in seinem Spiel so nieder, dass er es zwischen Tel Aviv und New York, überall in der Alten wie der Neuen Welt so umsetzen kann, dass sich die Zuhörer und die ihn begleitenden Orchester gleichermaßen gut zurechtfinden.

Ein wenig unverbindlich? Ja schon, auch wenn es im Detail kostbar ziselierte Episoden gab in der Samstag-Matinee, als David Greilsammer das wenig gespielte, weil weniger auf Effekt angelegte in Es-Dur KV 449 von Mozart hören ließ. Genauer gesagt: Dirigent Ivor Bolton trimmte das Mozarteumorchester sehr wohl ein wenig auf Effekt, und so kam es, dass Orchester- und Solopart an diesem Vormittag wie nebeneinander herliefen.

Wenigstens nebeneinander. In Bachs Viertem Brandenburgischen Konzert ist vieles nicht nebeneinander, sondern krass gegeneinander gelaufen, im barocken Freistil sozusagen, und auch in manchen Anschlüssen, weil Ivor Bolton sich selbst die Hände gebunden hatte, indem er sich ans Cembalo setzte. Frank Stadler (Violine), die Blockflötisten Lorenzo Cavasanti und Robert Ehrlich waren die Solisten. Alle miteinander haben wenig miteinander anfangen können.

Hörte man im Nachtkonzert zuvor in Heinz Holligers Zyklus „Beiseit“ Liedkunst der durchsichtigsten Art, so war in der Matinee eine Gruppe von Orchesterliedern zu hören, die Heinz Holliger als Siebzehnjähriger komponiert hatte. Da hat er mutig in den Orchester-Farbtiegel gelangt. Was schon in diesem Frühwerk hervortritt: Holligers hoch entwickeltes literarisches Interesse. In diesem Fall Texte von Morgenstern, aber nicht solche der parodistischen Art, sondern dunkler Gefärbtes, Hintersinnigeres mit schwarzen Schlagschatten. Annette Dasch hat sich damit eine ansprechende, wirkungsvolle Repertoire-Bereicherung eingehandelt. Vielleicht hätte Ivor Bolton das Orchester ja noch ein wenig zurücknehmen können.

Zuletzt wurde man mit der Dank genauer Berücksichtigung von Wiederholungszeichen gar nicht mehr so „kleinen“ A-Dur-Symphonie KV 201 sehr stimmig in die Tagessonne entlassen. Da waren Bolton und das Mozarteumorchester endlich wirklich in ihrem ureigenen Element.

Hörfunkübertragung am Sonntag, 13. Februar, um 11.03 Uhr (Ö1)
Bild: ISM / Wolfgang Lienbacher