In wenigen Takten eine Gefühlswelt

Von Gottfried Franz Kasparek

Beide Künstler sind gern gesehene Stammgäste in Salzburg. Lars Vogt interpretierte zu Beginn Mozarts a-Moll-Rondo KV 511, welches immer wieder durch seine Vielschichtigkeit verblüfft. Bei Vogt ist es weniger ein „Valse triste“, mehr eine gefühlvolle Etüde, sehr schön und fein klingend, aber doch ohne die ganze Tiefenschärfe, die dem Stück innewohnt. Darauf folgten György Kurtágs kostbare „Tre pezzi per violino e pianoforte“. In wenigen Takten eine ganze Gefühlswelt auszudrücken, das ist das Geheimnis dieses Komponisten. Christian Tetzlaff spielte mit inniger Empfindung und der Pianist erwies sich als aufmerksam mitatmender Partner.

Ein wenig schleppend und mühsam geriet die G-Dur-Sonate KV 379, trotz wunderbarer Kantilenen des Geigers und einem ebenso zart wie sorgfältig artikuliertem Pizzicato-Finale. Vogt schien oft zu einer großen klanglichen Gebärde anzusetzen, die im eher zurückhaltenden, betont klassischen Spiel Tetzlaffs keine stimmige Entsprechung fand. Nun sind Mozarts Wiener Violinsonaten bereits dezidiert für das Hammerklavier bestimmt und stehen in ihrer Textur und ihrer emotionalen Aussage am Anfang eines neuen Ausdrucks, der direkt in die Romantik führt. Es erweist sich eben oft als schwer, die Mitte zwischen klassischem Ebenmaß und Expressivität zu finden.

Nach der Pause gab es eine Auswahl aus Kurtágs „Signs, Games and Messages“ für Violine solo. Ein Werkkomplex, der sich ebenbürtig an die großen Stücke für Solovioline seit Bach anreiht. Folgerichtig begann Christian Tetzlaff mit der „Hommage à  J. S. B.“ und fügte acht weitere der meist kurzen und leisen Stücke an. Am liebsten hätte man jede dieser meisterhaften Miniaturen gleich noch einmal gehört. So erfüllt von den elementaren Dingen des Lebens, so in neuer und doch bekannter Art melodisch, so berührend kann neue Musik sein. Tetzlaff schaffte es, jedes der Stücke zu einer kleinen und doch großen Klangerzählung zu machen. Unvergesslich bleibt das mystisch verhauchende „Doloroso“. Das Publikum feierte den Interpreten und den anwesenden, merkbar gerührten Komponisten, der in völliger geistiger Frische und Schaffensfreude seinem 84. Geburtstag am 19. Februar entgegen sieht.

Leider folgten darauf nicht die noch im Programmheftartikel angekündigten Acht Klavierstücke op. 3 von Kurtág, sondern gleich die A-Dur-Sonate KV 526 von Mozart, welche einen aber mit dem Mozart-Spiel der beiden Interpreten versöhnte. Da war die früher vermisste Mitte auf einmal da, da war produktives Geben und Nehmen, da war die der Sonate mit dem Karl Friedrich Abel - Zitat im Finale eingeschriebene Würdigung und Überwindung des Barocks sehr deutlich da.

Auch eine Zugabe kann ein großer musikalischer Augenblick sein. Antonin Dvo?áks böhmisch-musikantisches Sonatine-Finale, wie kann das auf dieses Programm passen? Es passiert wirklich, dass „alte“ Musik „neu“ klingt, wenn man sie abwechselnd mit neuer Musik hört – und manch eine Formulierung Dvo?áks ist auf einmal gar nicht so weit entfernt von Kurtág. Die Klangrede aller drei Komponisten dieses Konzerts ist groß, weil sie im Grunde über den Zeiten steht.

Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher