Dynamische Wiener-Klassik-Schiff-Fahrt

MOZARTWOCHE / CAPPELLA ANDREA BARCA

29/01/12 Der jährliche Auftritt András Schiffs mit der Capella Andrea Barca sorgt für volle Säle mit einem begeisterten Stammpublikum. Kein Wunder angesichts der sensibel empfindsamen und dynamisch vielfältigen Darreichung der klassischen Meisterwerke.

Von Elisabeth Aumiller

altDas Klavierkonzert Es-Dur KV 271 des 21jährigen Mozart wurde lange als „Jeunehomme-Konzert“ betitelt. Tatsächlich hat Mozart es Luise Jenamy zugedacht. Unter András Schiffs Händen zeigt sich das „Jenamy-Konzert“ nicht nur als der jugendlich frische Geniestreich Mozarts, als der das Konzert oft angesehen wird, sondern es entfaltet auch seine volle Schönheit und tiefe Empfindung in klanglicher Brillanz mit pianistischen Effekten.

Dabei geht es Schiff ganz gewiss nicht um Effekte, sondern um ein Ausloten und Aushorchen der tieferen Schichten des musikalischen Gehalts. Schiff erfindet in seinen Interpretationen  sicherlich das Rad nicht neu, aber sein Musizieren spricht wie ein erfrischender Quell unmittelbar die Gefühlsskala an.

Nichts wirkt aufgesetzt und doch scheint jeder Ton bewusst geformt, ist aber mit großer Selbstverständlichkeit in ein musikalisches Fließen integriert. Als großer Phrasierungskünstler und Meister subtiler Agogik artikuliert Schiff sprechende Töne. Sein Spiel zwingt zur ungeteilten Aufmerksamkeit.

Wunderbar empfindsam gibt er im langsamen Satz der Mollwendung wie mit dem Silberstift gemalt Kontur und lässt der sehnsüchtigen Farbe gemessene Ruhe. Im Presto ist die pulsierende Rhythmik  federnd und die Agilität stupend. Die Bässe der Klaviatur mischen  klangintensiv auf, ohne Härten aufzuweisen. Mozarts Original-Kadenzen führt Schiff nicht als pianistische Schaustücke vor. Sie gliedern sich wie aus einem Guss in die Gesamtthematik ein. Klangästhetik, Klangbalance und klare Artikulation stehen im Vordergrund und formen eine Musik zum einprägsamen Genießen.  Das Orchester ist einfühlsames Begleitinstrument, lässt dem Klavier den Vortritt, bereichert es aber dennoch mit klanglicher Modulation. Sehr schön das Horn und die übrigen Bläser.

Für Beethovens Klavierkonzert Nr. 5 Es Dur op.73 gilt Entsprechendes. Zudem wird eine große Welle an Intensität freigesetzt mit reicher dynamischer Vielfalt und Differenzierung der Tempi. Jede Note im Klavierpart ist eine Liebkosung, aber immer als Teil eines großen Phrasierungsbogens. Die reiche melodische Erfindungsgabe Beethovens wird dabei so recht bewusst gemacht. Die Triller-Decrescendi sind meisterlich in ihrem Feinschliff. Und wieder besticht die Temponuancierung sowie die mit Eleganz ausgeführte Präzision auch in den raschen Läufen.

Bei der Symphonie Nr. 2 B-Dur D 125 des 18-jährigen Franz Schubert ist András Schiff nun ausschließlich als Dirigent zugange. Mit sparsamer Gestik erreicht er hohe Intensität und forsche Dynamik und legt ein flottes Tempo vor. Die Fortepassagen kann er mitunter deftig anschwellen lassen, aber er kontert auch mit Klangdelikatesse. Als herausragendes Element wird Schuberts singende Melodik an die Oberfläche getragen und gibt der Musik den Reiz und Charme. Der zweite Satz beginnt als Streichquartett, dessen Thema dann nach und nach die Streicher und Bläser übernehmen. Mozart-Schubert-Beethoven: Altbekannte Musik wird wieder neu zum Erlebnis, vielleicht durch die Unmittelbarkeit der Empfindung und das scheinbar natürliche Fließen, das so gar nicht konstruiert wirkt.

Bild: dpk-Aumiller