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Traumtanz mit musizierenden Barfüßern

MOZARTWOCHE / SASHA WALTZ / GEFALTET

29/01/12 Eine so zierliche Dame kann man schon mühelos hochheben, mit ihr traumtänzerische Figuren vollführen und sie dann – der Überraschungseffekt sitzt – sanft im Klavier-Korpus zur Ruhe betten. Sasha Waltz eröffnete mit ihrem Projekt „gefaltet“ die Mozartwoche.

Von Reinhard Kriechbaum

Nicht genug mit diesem originellen Ruheplatz. Schließlich sitzt da Alexander Lonquich am Tasteninstrument und hebt auch schon zu spielen an. Es stellt sich heraus: Eine Tänzerin im Klavier abzulegen ist eine deutlich charmante Art, das Instrument zu präparieren, als mit Gummistöpseln oder dergleichen. Schließlich braucht die junge Dame nur ein wenig zur Seite zu rücken und den Körper zu heben – und schon klingt’s wieder wie echter Mozart: unter Lonquich‘ Händen samtig, singend, elegant. Man ertappt sich beim lustvollen Zuhören, obwohl es genug Anlass zu Schaulust gibt.

Sasha Waltz‘ choreographische Arbeit für die Mozartwoche, im Landestheater gezeigt am Freitag (27.1.) und Sonntag (29.1.), trägt dezidiert den Untertitel „Ein choreographisches Konzert“. Da schwingt also mit: Die Musik soll Hauptsache sein und bleiben. Ein schöner Tribut an Mozart, wenn das Tanzensemble zum abschließenden g-Moll-Klavierquartett (1. Satz) um die Instrumentalistengruppe kauert und einfach zuhört. Eine Tänzerin streut weiße Daunen in den Moll-Tonfluss - ein sehr poetisches, fast kitschiges Bild.

Tatsächlich also wird die Produktion „gefaltet“ mit Stücken von Mozart und Mark Andre von den Kompositionen her „aufgefaltet“. Kammermusik als intelligente Gespräche: Genau so passiert’s auch hinsichtlich der Bewegung. So wie eine Geige (Carolin Widmann), eine Bratsche (Guy Ben-Ziony), ein Cello (Nicolas Altstaedt) und das Klavier (Alexander Lonquich) jeweils für individuelle Persönlichkeiten, als Ganzes aber für eine miteinander verschmelzende Gruppe stehen (zumindest hätte es so sein sollen), so stehen die Tänzerinnen und Tänzer für Eigen-Sinn und Annäherung. Das deuten schon die unterschiedlichen Ethnien der acht Tanzenden und ihre schlichten, je eigenständigen Kostüme (Beate Borrmann) an.

Der Abend hat seine intensivsten Momente, wenn die Bewegung gleichsam aus der Musik herauswächst. Eine Geste, eine Schrittfolge wird von den Partnern imitiert, ganz leicht variiert, Motive werden in der Gruppe im Wortsinn „durchgeführt“, ineinander, zueinander. Das wirkt, als ob auch der Tanz nach einer exakt komponierten (und mit Mozart weitgehend deckungsgleichen) Partitur folgte. Unglaublich erfindungsreich und dabei unprätentiös wirkt das, präzis der Musik abgelauscht und sagenhaft genau umgesetzt.

Gelegentlich scheinen die Tänzer Schritte und Bewegungen vorzugeben, in die sich der Pianist oder das Kammerensemble einklinken, und auch das hat hohe Überzeugungskraft und wirkt wie selbstverständlich. Die kleinen Varianten in den Motiven, die Mozart gerade ausmachen – sie finden unmittelbar im Tanz, im Bewegungstheater ihre Entsprechung.

Auch die Musiker – schwarz gekleidete Barfüßer – sind eng ins Bühnengeschehen involviert. Wie sie in einer Szene zur Ruhe gebettet und später wieder aufgehoben werden, hat Stil. Sogar das Verschieben des Klaviers (inklusive Spieler) in die Bühnenmitte geschieht als leichtfüßiges Ritual.

Carolin Widmann spielt die e-Moll-Sonate als Tanzpartnerin eines der Herren. Hebefiguren schließen richtige Intonation nicht aus. Wenn die Streicher im Orchestergraben sitzen, wünschte man sich von ihnen eine dem Tanzensemble adäquate Homogenität. Aber sie sind eben ungewöhnlich viel auf den Beinen an dem Abend …

Moll gibt den Ton an, und auch Mark Andres „Zutaten“, eher marginal, nur in „iv 8“ für Streichtrio ein wenig ausufernd, sind Parameter einer in Summe ruhigen, konzentrierten Musik- und Bewegungsfolge. Ziemlich genau zwei Stunden, ohne Pause: Man kann - trotz dem nur selten ironisch gebrochenen oder sonstwie gedanklich unterlaufenem schönen Schein - beileibe nicht sagen, dass die Zeit rasend schnell verginge. Ein bisserl selbstverliebt wirkt die tänzerische Vereinnahmung dann doch - aber auch höchst ästhetischer Ebene.

Bilder: ISM / Bernd Uhlig  


 

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