Das Glück der tanzenden Saiten und Tasten

MOZARTWOCHE / KOPATCHINSKAJA, SAY

03/02/12 Patricia Kopatchinskaja und Fazil Say im Mozarteum. Die moldawische Geigerin und der türkische Pianist versetzten den Saal in hellen Jubel. Kein Wunder, denn mitreißender, tänzerischer, pulsierender und zeitloser kann man Klassik nicht spielen.

Von Gottfried Franz Kasparek

altFazil Say ließ den romantischen Grazioso-Beginn der Mozart-Klaviersonate in A-Dur KV 331, dieses wundersame neapolitanische Weihnachtslied, verzaubernd aus dem Steinway perlen, machte jedoch schon im Verlauf der Variationen klar, wie sehr sich rhythmische und gesangliche Impulse in dieser Musik vermählen – nicht nur akzentuiert spielend, auch mit der mitunter freien linken Hand in der Luft modellierend, auch mitsummend und jeden Takt mitlebend. Menuett und Alla Turca folgten pausenlos und sorgten in ihrem musikantischen Furor bei gleichzeitig ausgefeilter Nuancierung schon nach dem ersten Stück für Standing Ovations.

Die Kopatchinskaja verblüffte mit einem oft harte Akzente setzenden Mozart-Spiel, das in einigen schnellen Läufen fast barock modelliert wirkte, aber doch Muße des Verweilens in lyrischen Passagen fand. Da war keine falsche Lieblichkeit, sondern geballte Energie zu vernehmen. Zeitweilig wurde die B-Dur-Sonate KV 454 noch dazu zum Trio von Klavier, Violine und den „Vokalisen“, die der Pianist beisteuerte. Welcher am Ende des ersten Teile auf Punkt und Komma und mit Gusto die Variationen über „Ah, vous dirai-je, Maman“ interpretierte, so dass völlig klar wurde, dass hier eben nicht der Weihnachtsmann, sondern ein zärtlicher Silvandre eine verliebte Schäferin besucht.

altIn der Pause konnte man Blicke in die im Wiener Saal ausgestellten Autographen der beiden Klavierstücke werfen, eine gute Idee, die sich zur Nachahmung empfiehlt. Und dann ging’s weiter mit der vielleicht wildesten Violinsonate aller Zeiten, dem op. 47 Beethovens, zumindest was die Ecksätze betrifft. Diese Parforce-Jagd ist eigentlich von einem exotischen Mr. Bridgetower und nicht von Rudolphe Kreutzer inspiriert. Das Spiel der Kopatchinskaja, wie immer mit bloßen Füßen sich erdend, erreichte hier wahrlich atemberaubende Momente. Diese Ausbrüche sinnlicher Tanzlaune sind aber immer kontrolliert und auch dann, wenn ein paar Töne wackeln, in sich vollkommen stimmig. Fazil Say ist der perfekte Partner am Flügel; Beethoven, der Feuergeist, ist zum Greifen nahe. Im Andante fanden beide Erzmusikanten zu beseelten, tonschönen Augenblicken.

Der Zugabenteil wurde zum fulminanten letzten Programmpunkt. Béla Bartóks „Rumänische Volkstänze“ mit ihrer unwiderstehlichen Balkan-Farbenpracht und Maurice Ravels Blues-Satz aus der Violinsonate machten das Glück der tanzenden Saiten und Tasten vollkommen.

Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher