In der Klangentfaltung betonte er nicht den symphonischen Charakter, vielmehr tanzte die Musik leichtfüßig wie ein festlich-fröhliches Divertimento. Die Allegro-Teile kamen flott, gingen aber nicht an die Grenze der Rasanz. Den orchestralen Vollklang setzte er sparsam ein, gab lieber den melodischen Linien und instrumentalen Solopassagen den Vorrang. Besonders den Bläsern galt seine Aufmerksamkeit. Präzise klangen auch die kurzen Moll-Wendungen und polyphonen Linien auf: ein schwereloses Klingen.
Mehr symphonisches Gewicht gab Jacobs der letzten Haydn-Symphonie „Solomon“ Hob.I:104. Extrem getragen begann das Eingangs- Adagio, entwickelte sich dann zu fließender Bewegung und manchen überraschenden Sforzato-Aufschwüngen. Innige Melodik unterbaut von elegischer Nachdenklichkeit ließ Jacobs zu, aber war doch insgesamt mehr auf unbekümmert beschwingte Gesamtstimmung bedacht. Manchen auftrumpfenden Ausbruch forderte er, steuerte jedoch rasch auf gemäßigte Schlichtheit und das Ausspielen von zarter Melodik zurück.
Herzstück des Programms war Mozarts Klarinettenkonzert A-Dur KV 622, sein letztes im Todesjahr entstandenes Konzert. Mozarts reifes Werk ist gleichermaßen Publikumsliebling und Vorzeigestück der Klarinettisten. Jörg Widmann punktete mit modulationsreicher Tongebung und musikalischer Phrasierungskunst. Sein Ton hat bei aller Wärme und Rundung immer auch „Biss“ mit silbrigem Oberflächenschimmer. Herausragend seine ausdrucksvolle Linienführung. Ausdrucksstark, aber gleichzeitig in instrumentaler Schlichtheit formte er das liedhafte Adagio, dessen Tiefgründigkeit seelische Regungen anzurühren vermag. Im Finale glänzte Widmann mit virtuoser Geläufigkeit und strahlendem Klang. Die Camerata war mehr als nur Begleitinstrument, gab der Klarinette den korrespondierenden Klangrahmen. Die Bläser traten in feinen „Wettstreit“ mit dem Solisten und die Streicher fügten sich ergänzend zur klanglichen Einheit.
Nach einer zweiten Pause fand sich etwa die Hälfte des Auditoriums noch bereit zur Sequenz der Nachtsstücke „iv3“ für Klarinette solo des französischen Komponisten Mark Andre. Der Composer in Residence gab auch an diesem Abend einige Anmerkungen zu seinem Stück: „iv“ ist die Abkürzung für Introversion. Für ihn bedeute komponieren, ein Klangreise nach innen, „um sich selbst zu finden oder auch die Suche nach der Präsenz Gottes“. In seiner dreiteiligen Komposition ist die Grundkonzeption das Verschwinden, die Trennung des Endlichen vom Unendlichen, das Verschwinden des Auferstandenen. Die drei Fragmente teilen sich auf in unharmonische, harmonische und geräuschhafte Klänge.
Der Klarinettenbecher stand auf dem Fell einer Pauke, um den Resonanzraum zu erweitern. In Teil eins hörte man Klappengeräusche, im zweiten Teil dann verschiedene langgezogene Klarinettentöne, die sich jeweils im Decrescendo verloren. Es klangen Signale an, die große Ruhe ausstrahlten, denen man auch verschiedene Klangassoziationen zuordnen könnte. Der dritte Teil war beherrscht von Papierrascheln, hinzu kam das Rauschen eines Radiogerätes und Tonlosigkeit, Stille. Wenn die Musik länger anhaltend tonlos wird, braucht das Zuhören allerdings dann viel Geduld.