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Ein symphonisch erdachter Gefühls-Kosmos

MOZARTWOCHE / WIENER PHILHARMONIKER / BARENBOIM

05/02/12 Es mangelt Daniel Barenboim nicht an pianistischem Selbstvertrauen. Gleich zwei Mozart-Konzerte als Solist und Dirigent, aber auf die konnte er sich am Samstag (4.2.) im Großen Festspielhaus getrost einlassen, Dank vollendetem philharmonischen Teamwork.

Von Reinhard Kriechbaum

altWer im Abstand von genau sieben Tagen bei dieser Mozartwoche die Wiener Philharmoniker gehört hat, einmal unter Boulez und eben jetzt unter Barenboim, der hat von den beiden Konzertabenden den Eindruck mitgenommen: Es scheint zwei Orchester zu geben unter dem gleichen Namen. Sie schauen sich zwar ziemlich ähnlich, aber sie können so unterschiedlich klingen wie nur. Einmal raffeln sie hölzern und lieblos dahin wie die Letzten, aber wenn sie sich angenommen und geschätzt oder gar geliebt fühlen – dann sind sie wirklich so gut, dass man niederknien möchte vor ihnen.

altSo also geschehen im dritten „Philharmonischen“ die Mozartwoche. Das „Krönungskonzert“ D-Dur KV 537 zu Beginn: Der kuschelweiche Ton, den Daniel Barenboim wohl exakt so haben will und den so gerne auch auf dem Klavier anschlägt, könnte leicht in die Irre führen. Er dient wohl nur dazu, eine Brücke zu den Zuhörern zu schlagen. Ob sie wirklich mehrheitlich dort stehen, wo Barenboim sie abholt? Egal, denn das Blatt wendet sich rasch. Barenboim hat einen analytisch genauen Blick auf dieses Werk, das sich durch unerwartete melodische Seitengedanken, durch ein Abweichen von der geraden Linie sozusagen auszeichnet. Da formt Barenboim, ohne jemals den samtweichen Grundklang zu verlassen, Arabeske um Arabeske, er nimmt sich Zeit und schafft sich einfach Freiräume, um Dehnungen da und dort anzubringen. Er erlaubt sich hier ein versonnenes Innehalten oder gar nicht so selten ein romantisierendes Einbremsen. Die Philharmoniker waren ganz Ohr und reagierten in vollendetem Einklang, auf einen Atem und reflexstark phrasierend. Mag sein, dass ein so tendenziell gefühlsduseliger Mozart gerade hoch im Kurs steht – aber so schlüssig hat diese Zugehensweise absolut ihre Berechtigung und ihre Überzeugungskraft.

Daniel Barenboim geht ungern über ein sattes Mezzoforte hinaus und erwartet das Gleiche von den Orchester-Partnern. Aber im Leisen gibt es genug zu entdecken. Das war auch im Konzert in c-Moll KV 491 so. Gewiss, man könnte da innere Kämpfe und Torsionen hinein interpretieren. So etwas ist nicht die Sache von Barenboim. Elegant swingend im Dreiertakt geht er den Kopfsatz an, vermeidet molltrübe Zusammenballungen, und dieser Tonfall bleibt erhalten bis in den Variationen-Schlusssatz. Der Ton wird nie kompakt, fährt sich nicht fest.

Auch in diesem bekömmlichen Sandwich fehlte die Garnitur aus dem das 20. Jahrhundert nicht, diesmal in Form von Schönbergs Kammersymphonie für fünfzehn Soloinstrumente op. 9. Die hat Barenboim sozusagen im kleinen Finger, er verströmt so etwas wie natürliche Autorität – und das philharmonische Elitegrüppchen tat alles, was uns vergessen lässt, dass es dereinst Uraufführung-Tumulte gegeben hatte ob der vermeintlichen Neuartigkeit. Tänzerischer Impetus, größte Genauigkeit, eine Vielzahl von Stimmungen und Gefühlslagen im kammermusikalischen Diskurs, und schließlich ein wie von innen heraus bewegter, echt leidenschaftlicher finaler Taumel: ein wirklich „symphonisch“ erdachter Musik-Kosmos.

Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher

 

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