Er war einfach der Bessere, als Teenie schon

MOZARTWOCHE / LE CERCLE DE L’HARMONIE

29/01/13 So viele Originalklangensembles, die auf Klassik spezialisiert sind, gibt es ja nicht. Fein also, dass sie jetzt auch bei der Mozartwoche debütiert haben: „Le Cercle de l’Harmonie“ unter Jérémie Rhorer.

Von Reinhard Kriechbaum

Der Ton des – logischerweise – Darmsaiten-Corps ist nicht groß, man denkt eher an ein Streichquartett, das ein wenig „aufgefüllt“ ist. Unter solchen Voraussetzungen stellt sich quasi von Natur aus eine ganz neue Gewichtung zu den Bläsern ein, auch zu enger mensurierten, leiseren Instrumenten nach alten Bauweisen. Der vierzigjährige Dirigent Jérémie Rhorer, der einst als Assistent von Marc Minkowski und William Christie die Materie von der Pike auf gelernt hat, weiß um die mannigfaltigen Möglichkeiten, gerade aus dieser neuen Balance Ideen zu ziehen.

Die einleitende Symphonie in G-Dur KV 110 bot bestes Anschauungsmaterial, wie vermeintlich geradlinige Verläufe an Leben gewinnen, wenn man manche Motivsequenz dynamisch zurücknimmt. Jérémie Rhorer gehört gewiss nicht zu den Vorlauten seiner Zunft. Ruhige, bisweilen fast betuliche Tempi wählt er gerne. Aber weil er äußerst gründlich an der Artikulation feilt, droht dem Hörer gewiss keine Langeweile. Jedenfalls von der Wiedergabe her nicht.

Im Zentrum der Programmfolge des Konzerts im Großen Saal des Mozarteums am Montag (28.1.) standen Szenen eines weiteren „Lucio Silla“. Ein Jahr nach Mozart, 1774, hat Pasquale Anfossi in Venedig dieselbe Geschichte vertont. Im Gegensatz zu Mozart war Amfossi kein Teenie mehr, sondern steuerte auf die fünfzig zu: ein erfolgreicher Routinier der Opernpraxis. Das hört man der Musik an. Gefällig und griffig plätschert das im Orchester dahin. Die Melodien wirken aber ganz eigenartig „drüber gelegt“, eigentlich gar nicht verbunden mit dem Instrumentalsatz. Man könnte, sofern das Silbenmaß stimmt, zu den jeweiligen Nummer ganz unterschiedliche Texte singen, lustige und nachdenkliche, übermütige oder melancholische. Das singt sich gut. Wer aber Mozarts „Lucio Silla“ im Ohr hat (und das haben in dieser Mozartwoche wohl alle im Auditorium) wird die Amfossi-Musik eher mit Achselzucken zur Kenntnis nehmen.

Einige der geplanten Nummer sind kurzfristig weggekommen, denn die Sopranistin Sylvia Schwartz hat sich eine Verkühlung eingehandelt und ließ sich als indisponiert entschuldigen. Das, was sie trotzdem hören ließ, wirkte rund und stimmig, gleichgewichtig auch zu den Parts der Mezzosopranistin Renata Pokupic und dem Tenor Benjamin Bruns. Passt schon so. Mehr Amfossi muss aber wirklich nicht sein.

Kurzfristig ins Programm gekommen ist eine Symphonie von dem in Paris wirkenden, aus Deutschland stammenden Mozart-Zeitgenossen Henri-Joseph Rigel (1741-1799): eine quirlige Musik ganz im Mannheimer Geist, mit einprägsamen Motiven und manch liebenswertem Detail. Da ist der Qualitätsabstand zu Mozart deutlich geringer als im Fall von Amfossi. Zum Schluss noch Mozarts 1774 komponierte Symphonie A-Dur KV 201: Beredt durchgestaltet - in unmittelbar symphonischer Nachbarschaft zu Rigel aber auch ein anschauliches Beispiel, wie Mozart damals, um es ganz sportiv zu sagen, gegenüber der Konkurrenz davonzog.

Rundfunkübertragung am Dienstag (5.2.) um 10.05 in Ö1
Bild: ISM / Wolfgang Lienbacher