Pfiff und Tiefe

MOZARTWOCHE / CAMERATA SALZBURG / LOUIS LANGRÉE

30/01/13 Ganz ungewohnt: ein Camerata-Konzert, noch dazu unter der Leitung des Chefdirigenten Louis Langrée, bei dem auffallend viele Plätze frei bleiben. So am Dienstag (29.3.) vormittags bei der Mozartwoche.

Mozart und Ravel – eine sonderbare Paarung? Über sein Klavierkonzert in G-Dur schrieb Ravel, es sei „im Geiste der Konzerte von Mozart und Saint-Saëns“ gehalten, und eine solche Musik „sollte meiner Meinung nach aufgelockert und brillant sein und nicht auf Tiefe und dramatische Effekte abzielen“. Naja. Was sein Landsmann Louis Langrée aus dem Mittelsatz von Mozarts Klavierkonzert G-Dur KV 453 an Tiefe aufspüren würde, konnte Ravel 1930 nicht ahnen. Aber sollte es damals keine Mozart-Interpreten gegeben haben, die in den Moll-Gewässern dieses Andante-Satzes fischten?

Ganz erstaunlich, wie viel Romantizismen Langrée da dem Orchester nahe gelegt hat, mit Gedankenschwere und deutlichen Atem-Punkten. Seine Solistin Claire-Marie Le Guay hat der Dirigent damit freilich ein wenig überstrapaziert. Sie ist auf die innere Bewegtheit dieses Camerata-Musizierens nur zögerlich eingestiegen. Und obwohl Langrée den Orchesterton in den Ecksätzen durchaus licht hielt, kam sie nicht so recht durch.

Die Stärke von Claire-Marie Le Guay ist Ravel. Gerade weil die Camerata dessen G-Dur-Klavierkonzert mit fein gemischtem Chroma veredelt hat, konnte sich die Pianistin da völlig gelöst einlassen auf gleichsam malerische Effekte. Das heißt nicht, dass sie den auf wirkkräftige Brillanz hinzielenden Passagen nicht auch zu ihrem Recht verholfen hätte. In Summe aber doch ein Ravel eher vom Hintersinnigen und Klang-Sinnlichen.

Der Klang, ja, dem mochte man an diesem Vormittag von Stück zu Stück nachlauschen. Spürbar das Knistern zwischen Dirigent und Orchester, als es am Beginn um Ravels Orchestersuite „Ma Mère l‘Oye“ ging. Beide Teile schienen voll Neugier, was ihnen die jeweils andere Seite anzubieten hat. Das Ergebnis: wundersam ausgehorchte Charakterstücke, mit Charme, ja mit Augenzwinkern serviert. Das hatte im Streicher-Corps immer wieder chansonhaft-erzählerischen Charakter, war tonlich aufs Feinste durchmodelliert. Und darüber die wundersamen Bläser! Jeden sollte man nach dieser Interpretation mit Referenz-Anspruch einzeln vor den Vorhang holen. Louis Langrée hat den Beifall deshalb auch gezielt auf die Bläsergruppe gelenkt.

Zum Abschluss nochmal Mozart: Louis Langrée ist nicht nur Stilist, sondern auch Pragmatiker. Dass die „Pariser Symphonie“ KV 297 ein Stück ist, mit dem Mozart vor allem einmal die Ohren seinen Publikums an der Seine kitzeln und sich damit durchaus effekthascherisch Respekt verschaffen wollte, das bringt Langrée deutlich heraus. Die Camerata war in all ihrer Flinkheit gefordert. Vor allem die Ersten und Zweiten Geigen im wirklich pfiffig und dabei klangfein, vor allem rhythmisch pointiert ausgereizten Finalsatz.

Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher