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Solitäre im Solitär

MOZARTWOCHE / KAMMERKONZERT IM SOLITÄR

01/02/13 Manchmal bleibt in einem Konzert die Zeit stehen. Und dann vergehen zweieinhalb Stunden wie im Flug. So geschah es im Kammerkonzert der Mozartwoche am Mittwoch-Nachmittag (31.1.) im Solitär.

Von Gottfried Franz Kasparek

Eigentlich ist diese Tageszeit - 15 Uhr - nicht ideal für Musizierende und Hörende. Aber der Geist der großen Musik weht, wann er will. Vor allem geschah dies im zweiten Teil des Programms, bei Olivier Messiaens „Quatuor pour la Fin du Temps“. Das singuläre Meisterwerk aus dem deutschen Gefangenenlager von 1941 ist ja kein Quartett vom Ende, sondern eines vom Aussteigen aus der Zeit, keine klingende Apokalypse, sondern eine synästhetische Beschwörung einer inneren Welt der Spiritualität, welche das Grauen überwinden kann. Mit weitem Atem, aber auch mit leuchtender Sinnlichkeit. Mit jener Freude der Sinne, die das ganze Programm durchflutete – Wolfgang Gratzer hat in seiner klugen und pointierten Einführung darauf zu Recht verwiesen.

Für die wegen „Überbuchung“ – was Agenturen so passieren kann! – verhinderte Carolin Widmann gab es gleich zwei Einspringer. Frank Stadler gehörte das Finale, jener wundersame Gesang der Geige, mit dem Messiaens Quartett endet. Frank Stadler war ein ebenbürtiger, in seiner Konzentriertheit auf die Klarheit des Klangs ausdrucksstarker Partner. Partner des die großen Bögen seines Parts mit balsamischer Schönheit und in sich ruhender Intensität auskostenden Cellisten Jean-Guihen Queyras, des gesangliche Linien ebenso wie dramatische Virtuosität brillant beherrschenden Klarinettisten Sebastian Manz und des in jedem Takt mitfühlenden, mitatmenden Pianisten Alexander Lonquich. Nach diesen fünfzig Minuten Eintauchen in eine der faszinierendsten und zukunftsweisendsten Klangwelten des 20. Jahrhunderts, nach dieser wahrhaftig die Seele berührenden Musik steigerte sich der Applaus aus der Stille heraus bis zur Ovation.

Auch vor der Pause hatte keine Müdigkeit geherrscht. Johannes Maria Stauds Fantasie „Lagrein“ ist ein Stück sinnlicher Musik – für ein Weingut! Der berühmte, schon um 1400 von Oswald von Wolkenstein gelobte Rotwein, der Lagreiner, steckt hinter den Noten, vom tastend-schmeckenden Beginn über allerlei Träumereien bis hin zu skurrilen Szenen fröhlicher Trunkenheit – wenn man es weiß. Wenn nicht, hört man ein vielgestaltiges Stück voll eruptiver Emotion. Das Ensemble – hier mit der akkuraten Alissa Margulis als Geigerin – brachte dies nuancenreich zur Geltung. Schön, dass neue Musik sich nicht mehr scheut, von des Gedankens Blässe angekränkelte Sphären zu verlassen.

Darauf passten Béla Bartóks für den Allround-Klarinettisten Benny Goodman und den ungarischen Stargeiger Joszef Szigeti geschriebene „Kontraste“ in ihrer kreativen Bezugnahme auf die Folklore samt augenzwinkernder Jazzlaune. Sebastian Manz und Frank Stadler spielten dies gemeinsam mit Alexander Lonquich mit Gusto und Perfektion. In Maurice Ravels herrlichem Klaviertrio, auch dies ein Solitär der Kammermusik, ergänzte Alissa Margulis mit großem Ton und großem Gefühl die intensiven Kollegen Queyras und Lonquich. Insgesamt ein Konzert-Nachmittag, den man sicht so schnell vergessen wird.

Bild: ISM/Wolfgang Lienbacher

 

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