Zeitlose Bewegungen

MOZARTWOCHE / AIMARD, ZEHETMAIR

03/02/13 Pierre-Laurent Aimard und Thomas Zehetmair spielten am Freitag (1.2.) im Großen Saal des Mozarteums eine Mozartwochen-Matinee, wie sie sein soll: Mozart klug in Beziehung gesetzt zur Moderne. Der Saal war gut gefüllt – und das Publikum feierte Johannes Maria Staud.

Von Gottfried Franz Kasparek

Mit Mozarts Es-Dur-Sonate für Klavier und Violine KV 302 hatte das Konzert qualitätsvoll, wenn auch ein wenig sachlich begonnen. Zwei starke Musiker-Persönlichkeiten schienen hier erst langsam einen gemeinsamen Weg zu finden. Der Pianist Aimard mit klanglicher Klarheit und der Geiger Zehetmair gut korrespondierend, mitunter mit Mut zum intelligenten Vibrato, aber beide noch nicht immer wirklich überzeugend, was das Ausloten durchaus vorhandener Tiefen betraf. Das waren noch mehr interessante Ton-Bewegungen als bewegende Töne. Die änderte sich radikal mit dem Solo des Pianisten, einem „Jugendwerk“ Stauds, „Bewegungen“. Ein erstaunlicher Genieblitz eines 22jährigen Kompositionsstudenten, der sich zwar auf Sartres „Ekel“ berufen, aber vor allem eine phantasievolle Pedalstudie über Aktionen und deren Nachklingen geschrieben hat. Aimard war da in seinem Element und das Publikum folgte ihm willig. Staud wusste schon 1996, wie „weit er zu weit gehen“ durfte, um ein Zitat über Alban Berg zu verwenden.

Béla Bartóks 2. Violinsonate von 1922 passte da hervorragend dazu, denn diese Musik wirkt immer improvisatorisch, bei aller Geplantheit. „Die Musik ist wild, aber kein Wildwuchs“ schreibt Rainer Lepuschitz goldrichtig im Programmheft. Die extreme Intervall-Abfolge des ersten Satzes setzte sozusagen Stauds Bewegungsdramaturgie fort, ehe sich nach Zehetmairs unwiderstehlich energischen Pizzicati jene enorme Innenspannung zwischen kreativ nachempfundener ungarischer Volksmusik und harmonischem Experiment ergab, die Bartóks Musik so unverwechselbar macht. Beide Interpreten spürten dem mit Verve und kontrollierter Emphase nach.

Nach der Pause lagen die Noten von Stauds Violinsolostück „Towards a Brighter Hue“ ausgebreitet über sechs Notenständer. Thomas Zehetmair trat beherzt zur Klangwanderung an. Stauds Stück, geschrieben in einem Londoner Notenkeller anno 2004 mit Blick auf Briefe Morton Feldmans an seinen Verleger und mit dem düsteren Edgar Allan Poe im Sinn, ist ein Paradestück für einen Geiger, der auch in Paganinis Capricci zuhause ist. Die Komposition ist wahrlich „Funken sprühend“ in ihrer Virtuosität, die nicht Selbstzweck ist, sondern dynamische Entwicklung. Auch hier markiert ein Pizzicato eine Wende, aus wildem Treiben hin zu einer positiveren, „leuchtenderen Tönung“ – a brighter hue. Dem Geiger wird alles abverlangt bis hin zu aus Vierteltönen abgeleiteten Tremolo-Trillern und Zehetmair entsprach dem so perfekt, dass man nur mehr staunen konnte. Großer Jubel – Musik unserer Zeit kann aufregend brillant sein, ohne ins Epigonale oder Banale abzusacken.

Die hurtige Gestik von Mozarts A-Dur-Sonate KV 305 setzte diese Brillanz quasi „zeitlos“ fort und die beiden Musiker hatten sich nun auch beim „Genius loci“ gefunden. Der grandiose Variationensatz mit seinen abgründigen Dialogen und Tonartenwechseln war nicht bloß unterhaltsam, sondern auch tief schürfend und verblüffend „modern“. Danach war dann wirklich keine Zugabe mehr nötig.

Bilder: ISM/Wolfgang Lienbacher