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Spannend bis zuletzt

MOZARTWOCHE / WIENER PHILHARMONIKER / BYCHKOV / KULMAN

03/02/13 Ihre „Jugendsymphonien“ scheinen sie als Jugendsünden betrachtet und unter Verschluss gehalten zu haben. Die „Erste“ Wagner erklang zum Beginn der Mozartwoche. Die „Erste“ Bizet nun zum guten Schluss: auch sie ein „Nach-Klassiker“ eines jungen Genies, in dem Eigenständiges bereits anklingt.

Von Heidemarie Klabacher

Dennoch hat Georges Bizet ein schlechtes Gewissen gehabt und die Symphonie zeitlebens unter Verschluss gehalten. Allzu viele Anleihen hat er bei seinem Kompositionslehrer Charles Gounod genommen. Das im Spätherbst 1855 geschriebene Werk wurde erst 1935 uraufgeführt.

Die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Semyon Bychkov (der für den erkrankten Georges Pretre eingesprungen ist) spielten diesen Spätling der Wiener Klassik mit Tendenz zur Jahrmarktsmusik voller Schwung und Humor. Mit dem elegischen Oboensolo im langsamen Satz hat der junge Bizet, der wie Mozart ohnehin nie alt geworden ist, bereits deutlich anklingen lassen, dass seine Klangvorstellungen Richtung Schmuggler-Schluchten im Mondenlicht gehen: ein exotisches Klanggemälde. Die Wiener Philharmonischen Holzbläser haben die Wiedergabe in ein geheimnisvolles Licht getaucht und die Pizzicati der Streicher haben das Ganze ein wenig ins Unruhevolle gerückt: eine reizvoll schwebende Spannung baute sich auf. Was Fugenartiges hat er dann auch ausprobiert, der junge Bizet. Und wie Semyon Bychkov den Weg zurück zur Mondschein-Stimmung zelebriert hat, war einfach hinreißend. Das Andante kam klassisch-heiter daher. Über ein wiederkehrendes Drehleier-Motiv ging es kurz in Richtung großer Romantik - und führte zu einem überraschend abrupten Ende. Als ein immer wieder angetriebener, summender und brummender, Drehkreisel beende das Allegro vivace die erfreuliche Begegnung.

Wagner gab es auch im dritten Wiener Philharmoniker-Konzert, als musikalischen Glanzpunkt dieser ertragreichen Mozartwoche: Die Mezzosopranistin Elisabeth Kulman sang Fünf Lieder nach Gedichten von Mathilde Wesendonck WWV 91. Wagner hat die „Wesendonck-Lieder“ ja  (bis auf das letzte Lied „Träume“) für Klavierbegleitung komponiert. Dieser Wiedergabe im Großen Festspielhaus eignete aber auch in der Fassung von Felix Mottl (also für Orchester in Tristan-Besetzung) ein geradezu kammermusikalischer Charakter. Die Wiener Philharmonischen Bläser woben einen Klangteppich aus Samt und dunkler Seide. Die Streicher ließen Glanzlichter darauf fallen, wie etwa im ersten Lied „Der Engel“, in dem die Stimme mit der ersten Geige im Wortsinn „himmelwärts“ verklingt. Im Lied „Im Treibhaus“ füllte die Bratsche mit der Sängerin „bang den dunklen Raum“. Jedes Lied war ein präzises Analyse-Protokoll. Freud hätte seine Freude gehabt. Elisabeth Kulman gestaltete diese Seelengemälde mit der Selbstverständlichkeit und scheinbaren Schlichtheit Brahms’scher Volkslieder. Sie schien oft mehr zu deklamieren, als zu singen und gab dennoch jeder einzelnen Phrase überwältigende Klangfülle. Kaum einmal ging sie mit der Lautstärke über ein an sich selbst gerichtetes Piano hinaus. Selbst die exponierten hohen Töne im Lied „Im Treibhaus“ blieben introvertiert und leise und erfüllten zugleich das ganze Haus: „Und der Leiden stummer Zeuge steiget aufwärts, süßer Duft“. Stimmtechnik in Perfektion.

Und natürlich spielten die Wiener Philharmoniker unter Semyon Bychkov auch einen Mozart: Die Symphonie C-Dur KV 551 kam drei Sätze lang „klassisch“ daher. So wie man gespielt hat, bevor die Originaltöner auch Mozart aufs Korn genommen haben: traumhaft klangschön, jede Linie ausgesungen, ja zelebriert; trotz kraftvoller Impulse nie beunruhigend.

Im Finale hat Bychkov urplötzlich andere Töne angestimmt, temperamentvollere. Zackig, mit Verve, gespannt und packend bis in die kleinsten Figuren im Pianissimo wurde der hochkomplexe Satz durchleuchtet, analysiert – und zugleich musikantisch hingelegt, hingefegt.

Bild: ISM/Wolfgang Lienbacher


 

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