Fröhlich pupst der Kugelfisch

MOZARTWOCHE / MOZART KINDERORCHESTER

04/02/13 Wird der in intellektuelles Schwarz gekleidete Bub in den ersten Geigen einmal im Experimentalstudio des SWR arbeiten? Wird die junge Kontrabassistin einmal die Streicherriege der Philharmoniker aufmischen? Das Mozart Kinderorchester gab am Sonntag (3.2.) sein bejubeltes Debüt im Großen Saal des Mozarteums.

Von Heidemarie Klabacher

„Hier sollen nicht Orchestermusiker nachgezüchtet werden. Hier geht es um die fröhliche Beschäftigung mit Musik.“ Das sagte Sven-Eric Bechtolf, der das erste Konzert des Mozart Kinderorchesters moderiert hat.

Was für ein Vergnügen, den jungen Musikerinnen und Musikern zuzuschauen: der ersten Cellistin etwa, die ihre Riege mit gelöster Selbstverständlichkeit und mit der Musik atmender Aufmerksamkeit führt; oder dem wirklich noch sehr klein ausschauenden ernsten Buben in den Ersten Geigen. Spielt er auf einer „halben“ Geige? Die Bläserinnen und Bläser sind eine Spur älter als die Streicher. Sie könnten bald in einem Jugendorchester sitzen, in ein paar Jahren vielleicht schon als Substituten in einem Profiorchester. Aber wie gesagt: Darum geht es nicht.

Das im Juni 2012 gegründete Mozart Kinderorchester der Stiftung Mozarteum ist ein gemeinsames Projekt mit dem Musikum Salzburg, prima la musica, den Musikschulen Bad Reichenhall, Burghausen, Grassau und Traunstein und dem Leopold Mozart Institut der Universität Salzburg. Geleitet wird es von Christoph Koncz.

Christoph Koncz, Jahrgang 1987 - Stimmführer der Zweiten Geigen bei den Wiener Philharmonikern, gefragter Solist und Kammermusiker, Gastkonzertmeister der Musiciens du Louvre Grenoble und der Camerata Salzburg - wirkt trotz seiner internationalen Karriere in diesem jugendlichen Kontext selber fast wie ein Jugendlicher. Mit Elan und Umsicht führte er sein Orchester durch die Symphonie D-Dur op. 3/1 von Johann Christian Bach, setzte Impulse, arbeitete Melodiebögen heraus: eine durchgestaltete überzeugende Phrasierung, wie man sie von einem Kinderorchester keineswegs als selbstverständlich erwarten würde.

Eher nicht rechnen würde man beim Debüt eines Kinderorchesters auch mit einer Uraufführung! Für das Mozart Kinderorchester hat Johannes Maria Staud im Auftrag der Stiftung das Stück „Fugu“ geschrieben. Gemeint ist dieser hochgiftige Kugelfisch, der nur unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen in japanischen Spezialrestaurants zubereitet werden darf. Der pumpe sich mit Luft voll, erklärte Moderator Sven-Eric Bechtolf, und lasse unter pupsenden Geräuschen den Dampf wieder ab. Das Auf- und Niederschweben des mehr oder weniger aufgeplusterten Meeresbewohners hat man deutlich in den Glissandi - die exakt auszuführen den Kindern sichtlich Spaß und Freude gemacht hat - gehört. Ein Kompositionsauftrag der Stiftung Mozarteum, unterstützt von der Ernst von Siemens Stiftung, das Notenmaterial von der Universal Edition: alles ganz wie es sich für die Uraufführung eines neuen Werkes gehört.

Im ersten Satz des Konzerts A-Dur für Klavier und Orchester KV 414 begleitete das Mozart Kinderorchester unter Christoph Koncz die zwölfjährige Solistin Marie Sophie Decker Hauzel. Sie faszinierte ihr Publikum mit ebenmäßig kraftvollem Anschlag, eleganter Wendigkeit in den Läufen und Verzierungen und vor allem mit einer vielfarbigen und vielschichtigen Klang- und Ausdruckspalette - auch in der Debussy-Zugabe: ein hochmusikantisches durchgestaltetes Musizieren, eine bewundernswert reife Leistung eines liebenswürdig natürlich auftretenden Kindes.

Die Symphonie D-Dur KV 19 des erst zehnjährigen Mozart dirigierte der Künstlerische Leiter der Mozartwoche, Marc Minkowski, persönlich. Er verlangte dem jungen Orchester einiges ab an  exponierter Phrasierung, spannenden Lautstärken- und Tempowechseln und großen Linien im Piano. Ein Originaltöner in Aktion eben. Kein Wunder, dass Minkowski, wie er selber sagte, nach zwei Monaten Lucio Silla-Proben und zehn intensiven Tagen Mozartwoche müde war und für die zweite Zugabe den Stab einem „Assistenten“ übergab: dem jungen Cembalisten aus dem Orchester! Irre ich mich - oder hat das Mozart Kinderorchester unter seiner Leitung ganz besonders fröhlich gespielt?

ORF-Sendung: 16. Februar, 15.05, Ö1 (Apropos Musik)
Bilder: ISM/Wolfgang Lienbacher