Hammerklavier oder Steinway?

MOZARTWOCHE / KRISTIAN BEZUIDENHOUT

29/01/14 Kristian Bezuidenhout beweist, dass Mozart-Sonaten auch am Originalinstrument aufregend modern klingen können. Das erste Konzert im Sonatenzyklus in der Großen Aula mit zwei Weltklasse-Pianisten machte Appetit auf mehr. Und dieser Appetit ist ganz leicht zu stillen, so man denn jeweils um 15 Uhr Zeit hat...

Von Gottfried Franz Kasparek

104Heute Mittwoch (29.1.) und am Freitag (31.1.) wird Fazil Say seine Sichtweise am Steinway präsentieren, am Donnerstag (30.1.) ist wieder Bezuidenhout dran und 2015 wird das Ganze wiederholt, allerdings spiegelverkehrt – dann wird Bezuidenhout das gestalten, was jetzt Say spielt, und umgekehrt. Die Große Aula bietet dafür einen gut tauglichen akustischen Rahmen. Ein zweijähriges Gipfeltreffen der Mozart-Spieler, leider ohne eine direkte Begegnung, die sicher auch ihre Meriten hätte. Aber das jeweils andere Instrument bleibt am Podium still stehen.

Mozart hätte sicherlich mit beiden Interpretationen seine helle Freude, das kann im Wissen um Says expressive Neudeutungen schon jetzt gesagt werden. Wer nun aber glaubt, dass der feingliedrige, elegante Kristian Bezuidenhout bloß eine perfekt historisch informierte, akkurate Lesart des Notentextes präsentiert, der täuscht sich, gottlob, gewaltig. Denn der Fortepiano-Spezialist aus Südafrika ist mehr als ein sanfter Klavierästhet und schon gar kein trockener Hammerflügler. Er horcht hinter die Noten, er klopft sie nicht herunter, sondern erfüllt sie mit wundersam gefühlvoller Klangdramaturgie.

In den langsamen Sätzen der fünf diesmal gespielten Sonaten, in diesen verhaltenen Tastengesängen, steigen aus dem alten Flügel plötzlich Träume der frühen Romantik empor und das Bildnis des Frl. Cannabich in der Mannheimer Sonate KV 309 wird schön und klar modelliert. Diese und eine andere, hoch experimentelle „Mannheimer Sonate“ von 1777, jene in D-Dur KV 311, umrahmten die beiden „Münchner“ Stücke KV 283 und KV 279 - diese C-Dur-Sonate war zwei Jahr vorher Mozarts gleich überzeugendes Debüt in der Gattung – sowie die gewichtige, vielleicht 1783 in Salzburg geschriebene F-Dur-Sonate KV 332, in welcher der Pianist aus dem Pianissimo-Ende des Finalsatzes ein berührendes Psychogramm formte. Denn nur heiter geht es in diesen Stücken ganz und gar nicht zu.

Wo es darauf ankommt, faszinierte Bezuidenhout mit brillant perlenden Läufen – es ist höchst bewundernswert, was er an farblichen Nuancen, klanglichen Differenzierungen und natürlicher Virtuosität aus dem Hammerflügel herausholen kann. Mitunter bestürzend offensiv gelingen ihm überraschende Eintrübungen, wie die vielen Moll-Ausflüge in KV 332. Die Bässe sind dazu geeignet, überzeugend harte, fast kantige Akzente zu setzen. Dies ist kein fröhlicher Tastentiger-Mozart, auch kein gepflegter Langeweiler, sondern ein aufregender, zeitloser Komponist. Gerade unter der verspielten Oberfläche mancher Sätze tun sich weite Panoramen des Gefühls auf. Die Begeisterung des Publikums wurde mit dem innig erfühlten Andante cantabile aus dem KV 330 belohnt – man kann es heute von Fazil Say hören. Einziger Kritikpunkt an diesem Zyklus ist der durchgehende Konzertbeginn um 15 Uhr, der es vielen hierzulande arbeitenden Menschen unmöglich macht, mehrere Konzerte zu besuchen. Aber die Mozartwoche ist halt vor allem für Mozart-Pilger aus aller Welt bestimmt.

Bild: ISM / Marco Borggreve