Dirigent der flinken Finger
MOZARTWOCHE / FAZIL SAY
30/01/14 Andere Pianisten mögen gleich zwei Hände brauchen für Mozarts Sonaten. Bei Fazil Say ist es ganz anders. Er scheint immer eine frei zu haben, um mit ihr die an den Tasten verbliebenen restlichen fünf Finger zu dirigieren und Melodien in die Luft zu zeichnen.
Von Reinhard Kriechbaum
Eine solche Dirigier-Hand braucht es auch: Schließlich ist es mit dem Klavierspielen nicht getan. Auch das Summen und Grummeln will koordiniert sein. Jedenfalls versteht man gut, warum Fazil Say eine Umblätterin zur Seite hat. Das ginge beim besten Willen nicht mehr selbst. Zu berichten ist also vom pianistischen Gesamtkunstwerk, das da heißt Fazil Say. Noch öfter als sonst greifen da Leute aus dem Publikum zum Handy und schießen Fotos, und ein junger Herr in der Reihe vor mir hat es gar mit einem kleinen Video versucht. Auch wenn’s vielleicht eh unscharf ist – es macht wohl was her, wenn er daheim Freundinnen und Freunden von der pianistischen Performance erzählt.
Trotzdem voll daneben, würde man Fazil Say als Entertainer abtun. Wie raffiniert er dramaturgisch zu Werke geht! Die Exposition der Sonate D-Dur KV 576 lässt er als heitere Schnurre dahin laufen. Aber dann macht er urplötzlich ein geheimnisvolles Pianissimo, wenn’s in den Durchführungsteil geht. Und plötzlich setzt er ganz auf Klangfarbenreichtum in leisen Abstufungen, dass man so recht hineingeführt wird in die kontrapunktischen Geheimnisse, die Mozart da dicht an dicht hineingepackt hat. Aufmerksam heraus gekitzeltes Filigran sonder Zahl. Nur die Themeneinsätze, die immer enger und dichter werden, bekommen dann noch quasi-volkstümlichen Laut.
Da sind also immer wieder kleine Erlebnisse angesagt, bis Fazil Say im letzten Satz der D-Dur-Sonate wieder zum hopsenden Urvieh wird, das denkbar flott über eine eigentlich als „Allegretto“ ausgewiesene Notenwiese tobt – ohne dabei freilich ein Grashälmchen zu knicken. Die feinen Klangfarben – ein Traum.
Das war jetzt aber erst eine Sonate. Das Programm führte vom entschieden Komplexen – den späten Sonaten in D- und B-Dur (KV 570, 576) zum vermeintlich „Leichten“ (Es-Dur KV 282 und C-Dur KV 330). Was es natürlich nicht ist. Gerade da nämlich zeigt sich eine Stärke des Mozart-Spielers Fazil Say: Er geht völlig unprätentiös ran. Das Menuett eins in der Es-Dur-Sonate lässt er mitsamt seinen Auftaktfiguren ganz natürlich und unkompliziert daherkommen, und einem vermeintlichen Gassenhauer wie dem Schlusssatz dieser Sonate gibt er quasi jazzelnd noch einiges an Pikanterie mit. A propos Jazz: Als bereitwillig gewährte zweite Zugabe (nach den rasant quirligen Variationen über „Ah, je vous dirais, Madame“) verwandelt er das Rondo alla Turca in ein inspiriertes Traditional, das die Zuhörer gar zu Zwischenapplaus lockte.
Heute Donnerstag (30.1.) ist um 15 Uhr im Wiener Saal wieder der Kollege Kristian Bezuidenhout mit dem Hammerflügel dran, am Freitag (31.1.) dann wieder Fazil Say. Und zur nächsten Mozartwoche tauschen sie dann wie berichtet die Werke, sodass man jedes Stück dieser Sonatenschau einmal „auf alt“ und „auf neu“ hören kann – www.mozarteum.at
PS: Kann Musik ansteckend wirken? Da kam am Beginn der Pause – Fazil Say war gerade abgegangen – eine Zuhörerin aufs Podium gestakst, stellte ihre Handtasche neben den Klavierhocker, nahm Platz und begann zu spielen. Gutes Zureden von Saalmeister und Klavierstimmer fruchtete überhaupt nichts. Es musste ein Security-Mensch her, um die Tasten-Amateurin weg zu bekommen.