Vier letzte Vokalisen und andere Schönheiten

MOZARTWOCHE / WIENER PHILHARMONIKER / MINKOWSKI

30/01/14 Es wird einem nichts geschenkt bei der Mozartwoche. Ein zeitgenössischer Komponist als Schwerpunktprogramm muss sein. Dazu Jahresregenten, was geht. Und Mozart. Ja, der natürlich auch. Herauskommen kann dann so etwas wie am Mittwoch (29.1.) im Großen Festspielhaus.

Von Reinhard Kriechbaum

113Marc Minkowski, künstlerischer Leiter der Mozartwoche, am Pult der Wiener Philharmoniker. Das könnte sollte spannend werden. wenn die einen auf den anderen ernsthaft eingingen (und umgekehrt). Wenn beide Teile dann aber mit Musik konfrontiert werden, mit der sie absolut nichts anzufangen wissen – in dem Fall: die Philis mit Arvo Pärt und Minkowski mit Richard Strauss –, dann ist ein verqueres, beliebiges Pasticcio unvermeidlich.

Klar, die Wiener Philharmoniker spielen wunderschön. Arvo Pärts „Fratres“, hier in der Version Streicher-Vibrato plus Schlagzeug-Duft, kam süffig daher und viele Mozartwöchner, die das Zeitgenössische eben geduldig über sich ergehen lassen, haben zufrieden gelächelt: So fein kann Postmoderne wabern.

Die Zufriedenheit ist dann noch erheblich gestiegen bei jenen 55 Takten, die der 79jährige Este als Auftragswerk zu dem Anlass geschrieben hat: „Swan Song“. „Littlemore Tractus“ for orchestra. Etwas viel Titel für so wenige Takte, in denen aber eine Maximalzahl von Musikern beschäftigt wird. Eigentlich ist es die Überarbeitung eines älteren Werks für Chor und Orgel. Klarinetten und Harfe schwelgen zuerst in dem für Arvo Pärt typischen Glöckchen-Stil, 115die Orchestergruppen greifen das auf, verdichten, und wenn man das so andachtsvoll zelebriert, dann klingt es wie ein moderateres Schnipsel aus Puccinis „Turandot“. Dafür kann Pärt nichts, das war einfach die Ungunst der Stunde, die Nicht-Interpretation, das süffige Laissez-faire. In Wirklichkeit „hebt und senkt sich in der Komposition die Fieberkurve des Lebens“. Das ist dem Programmheft-Autor eingefallen, und wir lassen das mal so stehen.

Mozart, vor der Pause: Für die Haffner-Serenade traf man sich auf gut halber Wegstrecke, die Philharmoniker machten Minkowski die Freude und spielten ganz eloquent, und er ließ ihnen den Spaß am Vibrato. Konzertmeister Rainer Küchl 114hat in den drei Sätzen, in denen sich die Solovioline nachdrücklich zu Wort meldet, seine Süßigkeiten mit gewohnter Artikulation verbreiten dürfen (Sonderapplaus). Oberflächlich war eh alles ok, aber letztlich war dieses stilistisch unentschiedene Mozart-Bild unwürdig aller dran Beteiligten.

Und zuletzt noch die „Vier letzten Lieder“: Marc Minkowski tat gut daran, sich den Wiener Philharmonikern anzuvertrauen und gut dazu zu dirigieren. Sie wissen schon, wie Richard Strauss geht, wie der Klang sein muss, dass man die Singstimme sehr gut hört, auch wenn sie nicht aufdreht. Soile Isokoski hat das nicht getan, hat dem Orchesterklang geschmeichelt und sich von ihm betörend umweben lassen. Was sind das für Dinger zwischen den Selbstlauten? Tja, die Konsonanten. Die haben sich leider verflüchtigt. Text (geschweige denn Gestaltung) nicht in Spurenelementen, dafür einnehmende „Vier letzte Vokalisen“.

Im Hörfunk: Sonntag, 9.2., 11.03, Ö1
Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher