Junger Meister der Adagio-Tiefen

MOZARTWOCHE / KIT ARMSTRONG

31/01/14 Er zeige Verständnis für die „große Klavierliteratur als eine Einheit von Gefühl und Verstand, Frische und Verfeinerung“. Wer vom großen Alfred Brendel ein solches Diktum mitkriegt als Karriereschub, ist gut dran – und hat einiges einzulösen.

Von Reinhard Kriechbaum

118Auf Vermittlung seines Mentors Brendel hat Kit Armstrong eine Klaviermatinee bei der Mozartwoche gegeben, als Einspringer für Daniel Barenboim, der an einer Sehnenscheidenentzündung laboriert. „Die größte Begabung, der ich in meinem Leben begegnet bin“, so Brendel weiter über den 21jährigen. Ein Selbstbewusster durchaus: Er hat die Programmfolge am Donnerstag (30.1.) im Großen Saal des Mozarteums mit Mozarts Es-Dur-Sonate KV 282 begonnen, die am Nachmittag vorher auch Fazil Say gespielt hat. Jenes Stück, das als eine von nur zwei Mozart-Sonaten mit einem ausgedehnten Adagio-Satz beginnt. Aber vielleicht ist es ja gerade das, was den jungen Amerikaner gerade daran reizt, scheint er doch ein Jung-Meister der langsamen Sätze zu sein.

Die Finger-Disziplinierung ist da nicht mehr Achtung einflößend als das In-Zaum-Halten des Temperaments: Da ist kein Ton, der aus der Linie geriete, keine akzentuierte Note oder Melodie, die nicht sorgsam bezogen wäre aufs jeweilige Umfeld. Das freilich mit ansehnlicher Emphase, keineswegs kühl und bloß „sachlich“. Man kann viel lernen von Brendel, und Kit Armstrong ist ganz offensichtlich der Wissbegierigsten einer.

Das h-Moll-Adagio KV 540: subjektiv hat man den Eindruck, dass Kit Armstrong Episode um Episode noch ein klein wenig einbremst, und doch eine spannende, wenn man will: von geist durchglühte Wiedergabe. Mozart gab es noch einigen im Programm, auch eine späte Sonate von Haydn (Es-Dur Hob. XVI:52). Deren langsamen Satz hat Kit Armstrong gar fast stockend im Zeitmaß genommen und doch expressiv ausgereizt. Es fehlt Kit Armstrongs Spiel im Einzelnen durchaus nicht an kleinen Eigenwilligkeiten, und er nutzt – aber immer unaufdringlich – Interpretationsspielräume aufs Effizienteste. Dafür war der Finalsatz dieser Haydn-Sonate, mit ihrem zweifachen, eines Beethoven würdigen Anlauf ins Rondo-Thema, ein anschauliches Beispiel. Bei jeder Wiederkehr dieses charakteristischen Motivs findet Kit Armstrong andere Gewichtungen und Akzentuierungen: Das steht alles nur zum Teil in den Noten…

Sachen gibt’s: Richard Strauss als Salonalbumblatt-Schreiber! Das Jubiläumsjahr ist ein Anlass, die „Stimmungsbilder“ op. 9 aus der Ablage zu holen und auch die „Fünf Klavierstücke“, op.3. Siebzehn, achtzehn Jahre war Strauss alt, als er diese gar nicht wenig ausufernden Petitessen schrieb. Da und dort blitzt schon eine Wendung auf, die spätere Eigenheiten Strauss’scher Melodiewendungen ahnen lässt. Und, ein bisserl boshaft gesagt: Aufs Kunstgewerbliche hat Strauss sich offenbar von der ersten Stunde an bestens verstanden.

Dankbare Dinge jedenfalls, die Kit Armstrong – bei der Auswahl auch wieder mit einem Faible fürs langsame Zeitmaß – konzentriert und innig umsetzte. Leichtfüßig und klangbewusst etwa im „Intermezzo“ (op.9/3), und im fünften der „Stimmungsbilder“, einem „Heidebild“ über einem beharrlich Weite und Ebene suggerierendem Orgelpunkt mit fast impressionistischem Sinnen.

Bild: www.kitarmstrong.com / Gesine Born