Die Gabe, innere Bilder zu erschaffen

MOZARTWOCHE / CAPELLA ANDREA BARCA / SCHIFF

26/01/15 Emotional und enthusiastisch entführten András Schiff und die Cappella Andrea Barca auf eine Zeitreise, die gleich einmal Bilder von einem königlichen Hof vor dem inneren Auge entstehen ließ. Den Matinee-Auftakt bildete Ludwig van Beethovens erstes Klavierkonzert. Bei Schiffs dramatischer Interpretation möchte man von einem „opernhaften“ Klavierkonzert sprechen.

Von Sascha-Alexander Todtner

Gefühlvoll getragen vom satten und grazilen Klang der Streicher lotet András Schiffs pianistische Virtuosität das Opulente bis hin zum Spielerischen in Beethovens Frühwerk mit einer spürbaren Freude aus, wie es selten bei einem Pianisten zu erleben ist.

Die Träumerei des zweiten Satzes im Konzert Nr. 1 C-Dur op 15 ist wie ein Spaziergang an einem zugefrorenen See. Die Cappella Andrea Barca umfängt dabei das Publikum mit der Wärme der Musik. Und genau hier wird Beethoven als Wegbereiter der Romantik erkennbar, wenn die Klarinette die Zuhörer durch die wunderbare Schneelandschaft führt bis die Bläser ganz leise in der Ferne entschwinden.

Im dritten Satz Rondo erstrahlen Glanz und Glorie der Klassik. Zwischen spielerischem Ernst und leichter Schwere, zwischen dem Humor der Interpretation und der Harmonie zwischen Solist und Orchester, entfaltet sich dieser ganz einige Stil Beethovens. Und wenn man durch den tosenden Applaus nach dem Finale plötzlich herausgerissen wird, stellt sich die Frage, ob das Ganze ein Traum gewesen sei.

Auch im zweiten Programmpunkt des Konzerts zeigt Schiff seine Gabe, vom ersten Ton an eine Klangwelt zu erschaffen, die unweigerlich Bilder am inneren Auge vorbeiziehen lässt. Genau nuancierend - von den jauchzenden bis zu den schwermütigeren Stellen der Symphonie Nr. 5 B-Dur D 485 von Franz Schubert - entlockt der Dirigent dem eher klein besetzten Werk das Epochale.

Der zweite Satz Andante con moto erinnert an den zweiten Satz im Klavierkonzert Beethovens. Und wie schon zuvor führt András Schiff den Zuhörer an der Hand durch eine Welt, die von vollen und grazilen Streicherklängen getragen wird. Im Allegro vivace werden Klang und Leidenschaft einer Epoche lebendig, auch wenn diese Romantik sehr kontrolliert und verhalten wirkt und nicht zur großen Emotionen neigt - was eine neue Sicht auf Schubert ermöglicht.

Nach der Pause folgt der genius loci W. A. Mozart mit dem Konzert Es-Dur für Klavier und Orchester KV 482. Auf dem Höhepunkt der klassischen Musik können sich András Schiff und die Cappella Andrea Barca voll entfalten, auch wenn das Allegro der Bläser im ersten Satz etwas zu schnell wirkt. Schiff zeigt hier sein Können in der  pianistischen Interpretation und im Dirigat, nuanciert, leidenschaftlich und gefühlvoll offenbart Mozart zwischen Träumerei und virtuosem Spiel. Im zweiten Satz erklingen sakrale Momente, die fast an das Requiem erinnern, bis das Klavier sanft die Hoffnung zum Leben erweckt und das Licht die Dunkelheit im dritten Satz durchbricht. Vielleicht wäre es programmatisch interessanter gewesen, Schuberts und Mozarts Werk vor der Pause einander gegenüberzustellen und mit Beethoven nach der Pause die Brücke zwischen den beiden Welten zu schlagen, aber dies tut der mustergültigen Interpretation der Werke keinen Abbruch.

Die Konzerte von András Schiff und der Cappella Andrea Barca bei der Mozartwoche sind längst zur Institution geworden, aber keinesfalls zur Routine - wie dieses außerordentliche Konzert erneut unter Beweis stellte!

Bild: ISM/Birgitta Kowsky