Von Rosen und Sehnsüchten

MOZARTWOCHE / KARG / MARTINEAU

29/01/15 Christiane Karg hat vor gut einem Jahrzehnt am Mozarteum studiert. Wolfgang Holzmair war ihr Liedlehrer – und diese hohe Schule merkt man in jeder erfüllten Phrase, die sie singt. Mittlerweile auf den großen Opernbühnen der Welt zuhause, begeisterte sie mit einer Liedmatinee im Großen Saal.

Von Gottfried Franz Kasparek

Eine wahre Blütenlese an Blumenliedern stand im Zentrum des klug gestalteten Programms. Christine Karg verfügt über einen leuchtkräftigen, nuancenreichen, technisch perfekt geführten Sopran, der in jeder Lage anspricht. Vor allem aber ist sie eine ebenso musikalische wie intelligente Gestalterin. Sprachlich souverän und wortdeutlich, macht die junge Sängerin aus Bayern jedes Lied zu einem feinen Kabinettstück.

Malcolm Martineau ist ein mitatmender, Pointen setzender Begleiter am Flügel. Schon Mozarts den Reigen eröffnendes „Veilchen“ machten die beiden Interpreten zu einem kleinen, tiefgründigen Drama vergeblicher Liebessehnsucht, „An Chloe“ wird zum schalkhaften Psychogramm, die volkstümliche „Sehnsucht nach dem Frühlinge“ ist sowieso eine melodische Perle. Franz Schuberts „Frühlingsglaube“ auf Uhlands gleichfalls unsterbliche Verse verströmt wohlige Poesie.

Erstaunlich, wie gut Elliott Carters frühe, neoklassische Miniatur über „The Rose Family“ auf die verblühende „Rose“ Schuberts passt. Carters Lieder aus den 40er-Jahren sind eine echte Entdeckung, frische und freche Songs noch ganz ohne Atonalität. Robert Schumanns zwei „Schneeglöckchen“-Lieder umrahmten seinen „Jasminenstrauch“, Gesänge voll blühender Romantik. Ein schöner Einfall, Schumanns sprießendes Schneeglöckchenglück pausenlos in das wehmütige Vorspiel von Schuberts konzentrierter Lied-Novelle „Viola“ übergehen zu lassen.

„Seht, so geht es Bäumen, die im Frühling träumen“ hatte Friedrich Rückert das Schicksal seines eingeschneiten Jasmins resümiert. All diese Lieder sind ja bloß an der Oberfläche Blumenbilder. Darunter verbergen sich Gesänge der Einsamkeit, der immer wieder vom Frost geknickten Sehnsüchte nach Liebe. Franz von Schobers „Viola“-Text mag noch so blumig sein, Schuberts Musik lässt in Abgründe an Traurigkeit blicken. Christiane Karg lässt dazu mitunter Momente opernhafter Expression entstehen, wundersam dosiert, voll betörender Poesie.

Nach der Pause folgte eine weitere Mozart-Auswahl, vom sinnlichen „Zauberer“ über die köstliche Szene der Luise, welche die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte, zu den beiden koketten französischen Arietten und der balsamischen „Abendempfindung an Laura“. Jedes Lied eine Welt für sich. Bewundernswert, wie Christiane Karg zwischen drei Sprachen wechseln kann, denn danach kam eine zungenbrecherische Walt Whitman-Epistel aus Carters früher Feder, witzig, frühlingsstürmend, die „Zeit der Lilien“ beschwörend.

Schillers wortmächtiges Pathos in Schuberts doppelbödiger Lesart, in „Hoffnung“ und „Elysium“, stand am Ende des offiziellen Programms. Natürlich wurde der Jubel belohnt und man blieb der Botanik treu. Ein duftiges Rosenlied von Gabriel Fauré, eine fast Zarzuela-artige „Rosenarie“ des Argentiniers Carlos Guastavino – spanisch, also die vierte Sprache! – und eine lapidare Petitesse von Ned Rorem, in der sich kurz und bündig eine Rose vorstellt, bildeten die Trias der Zugaben. Bitte um baldige Wiederkehr, mit oder ohne Blumen!

Bilder:ISM/Wolfgang Lienbacher