Wechselbad der Gefühle

MOZARTWOCHE / CAMERATA / HERAS-CASADO

01/02/15 Pablo Heras-Casado leitete diesmal die Camerata Salzburg. Wie in so vielen Konzerten der heute zu Ende gehenden Mozartwoche standen Erstaufführungen von Elliott Carter auf dem Programm. Solisten waren der Flötist Emmanuel Pahud und die Sopranistin Kerstin Avemo.

Von Horst Reischenböck

Um seinen dirigentischen Nachwuchs braucht sich Spanien nicht zu sorgen. Pablo Heras-Casado bewies auch bei fulminant seine Kompetenz – sowohl in Sachen Wiener Klassik und Romantik wie auch in Sachen der Moderne.

Die Samstagsmatinee (31.1.) im Großen Saal des Mozarteums begann mit der Symphonie Nr. 2 B-Dur D 125 von Franz Schubert. So interpretiert, ist kaum zu glauben, dass es sich um das Werk eines 18jährigen handelt. Die Camerata war bestens disponiert und vermittelte bereits mit dem Einstieg in den Kopfsatz - stramm rhythmisch punktiert genommen - alles andere als ein gewöhnliches Largo. Das war ein Weckruf in das anschließend pulsierende Allegro vivace hinein. In den durch Joseph Haydn beeinflussten Variationen bot sich erste Gelegenheit für die wiederum exzellenten Holzbläser, sich gefühlvoll Schuberts gesanglicher Melodik zu ergeben.

So lange jedenfalls, bis Heras-Casado kontrastierend die vierte Veränderung in Moll abrupt und harsch in der Dynamik dazwischenfunken ließ. Dem Menuetto trieb er jedwede Tanzmöglichkeit genauso federnd aus, und im Drive des atemlos dahin galoppierenden Finales wurden sogar innewohnende Bezüge auf Ludwig van Beethoven entschlüsselt.

Ein begeisternder Auftakt, dem nach der Pause ähnlich ambitioniert Mozarts Symphonie Es-Dur KV 543 nachgereicht wurde – als mitreißend bekrönender Abschluss.

Davor der Kontrast einer halben Stunde Musik von Elliot Carter. Zunächst, beginnend mit scharfem Akzent, das in drei Teile gegliederte „Flute Concerto“. Carter schrieb das Werk im biblischen Alter von hundert Jahren als Auftragswerk des Jerusalem International Chamber Music Festivals, des Boston Symphony Orchestra und der Berliner Philharmoniker. Deren erster Soloflötist, Emmanuel Pahud, hat es in Israel aus der Taufe gehoben. Er war auch der Solist bei der Mozartwoche. Er stand er vor der nur im Schlagwerk aufgestockten Camerata und vermittelte virtuos durch alle Register und kantabel Carters Ansicht, auch ein zeitgenössisches - erst sieben Jahre junges Opus – komme mit normaler klassischer Spieltechnik aus.

Begeistert bejubelt Emmanuel Pahud wurde auch die schwedische Sopranistin Kerstin Averno (bekannt aus „Così fan tutte“ in Michael Hanekes Regie und vom neuen Casanova-Film her). Ihr war der fünfteilige Liederzyklus „What Are Years“ auf Worte der US-Pulitzer-Preisträgerin Marianne Moore anvertrau. Leider gab es keine Übersetzung im Programmheft, was zweifellos das Verstehen erleichtert hätte. Das wäre auch wichtig gewesen für Carters text-bezogene Kompositionsweise oder die Reihung der Texte. Das letzte Gedicht jedenfalls spricht Sterblichkeit und Ewigkeit an. Entstanden ist der Zyklus drei Jahre vor dem Tod des Komponisten. Analogie zu Richard Strauss' „Vier letzte Lieder“? Wohl eher Zufall. Auch weil Carters „letzte Lieder“ komplett anders aufgebaut sind und die Sängerin etwa in der Anrufung König Davids subtil nur von Harfe und Solocello begleitet wird. Kurze, skurril und amüsant ist die Karikatur einer Ratte innerhalb einer Mauer. Kerstin Averno lotete diese Tour de force stupend aus und wurde entsprechend ausdrucksstark von der Camerata und Pablo Heras-Casado assistiert. 

Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher