Das Leben – ein Echo im Ohr

CD-KRITIK / BLANK MANUSKRIPT / KRASNA HORA

18/10/19 Die Geheimnise der Osterinsel oder der menschlichen Seele sind die Gefielde, die sie musikalisch erkunden und kartieren. Krásná Hora heißt das neue Album der Salzburger Band Blank Manuskript. Und Krásná Hora heißt der Bauernhof in Tschechien, auf dem die Musiker sich selbst ins Konklave gesperrt – und ihre Erfahrungen in Musik, Klang und Atmospähe pur gegossen haben.

Von Heidemarie Klabacher

Geworden ist aus dem – in der Abgeschiedenheit unter durchaus radikalen Bedingungen – entstandenen musikalischen Material ein ausgefeiltes Konzeptalbum – Musiknummern, die ein gemeinsames Thema haben, eine Geschichte erzählen. Diesmal ist es wieder eine CD geworden, nachdem The Waiting Soldier 2015 auf klassischem Vinyl erschienen ist.

„Der Mensch unter Menschen“ ist das Thema von Krásná Hora: Wie ticken soziale Gruppen (etwa eine Rockband unter Laborbedingungen)? In welchen Beziehungen stehen der Einzelne und die Gruppe zu einander? Wie verändern sich diese mit der Zeit? Wie geht es der Gruppe, wie dem Einzelnen... Wie in allen bisher vorliegenden Alben (und den ihnen jeweils zugrunde liegenden Live-Shows) der ArtRock-Band Blank Manuskript bildet das „Konzept“ als Assoziationshilfe dennoch nur den Hintergrund: Die Anschaulichkeit und Klangsinnlichkeit der acht Nummern von Krásná Hora erschließen sich auch ohne jeglichen theoretischen Überbau.

Achluphobia heißt die Nummer drei. Ein typisches Blank Manuskript-Wort möchte man am liebsten sagen, ein scheinbar sperriger Begriff, der mit Angst vor der Dunkelheit etwas Ur-Uenschliches, ja Archetypisches meint. Die Nummer könnte der Sountrack zu einem Horrorfilm sein. Mit dem Geräusch knarrender Türen oder zerbrechender Knochen. Mit Weckerticken im Hintergrund oder dem lieblichen Klingeln der Spieluhr unter der Melodie von Guten Abend, gut Nacht... All das ist in wenigen Augenblicken vorüber, nichts wird ausgewalzt, dadurch wird auch nichts platt – und der Hörer auf sich selbst und seinen eigenen Nachtmahr zurückgeworfen... So entwickelt das Album mit acht Nummern eine betörende Sogwirkung – mittels ausgewachsener Balladen von 15 Minuten, wie etwa Achluphobia oderMinaturen von kaum vier Minuten, wie etwa Presure of Pride, einer nervös gegen jegliche Bindung aufbegehrenden Nummer mit der herzspaltenden Textzeile ...soaring with the flame of desire experiencing the distance between you and me... Keine schlechten Psychologen. Domink Wallner und Alfons Wohlmuth, die (mit Ausnahmen) für die Texte zeichnen, spielen raffiniert mit den Ängsten der Seele, schreiben keine freuden- oder schmerzensreichen Songtexte, sondern schaffen ausgewachsene ernstzunehmende Lyrik von höchster formaler und inhaltlicher Qualität. Einzelne Begriffe, etwa „forsaken child“ oder „together we shall die“ verbinden quasi leitmotivisch einelne Nummern auch auf der Textebene zu einem Ganzen. Wie etwa auch der Gedanke (Hoffnung oder Furcht) an einen gemeinsamen Tod, wie in The Last Journey oder Alone at the Institution.

Auch die Musik von Blank Manukskript spannt wie immer einen weiten Bogen von klassischen Rock-Elementen und Jazz- oder BigBand-Anklängen über Singer-Songmaker-Sound bis hin zu klassisch-symphonischen Momenten (damit gehen sie diesmal eher sparsam um) oder Lied-Kompostion. Die ruhigen Passage innerhalb des monumentalen Alone at the Institution, eine Art Vorpspiel zum Vokalpart lässt die Zeit still stehen. Das Sax-Solo läss Jazzclub-Stimmung aufkommen... Jede Nummer spannt für sich selbst einen ähnlich vielgestaltigen Bogen.

Jakob Aistleitner, Peter Baxrainer, Jakob Sigl (der erst jüngst zur Truppe gekommene Drummer), Dominik Wallner und Alfons Wohlmuth gelang mit Krásná Hora wieder ein spannendes Gesamt-Kunst-Werk. Ein recht strapazierter Begriff. Auf die ausgefeilten Bühnenshows der ArtRock Formation trifft er aber ebenso zu, wie auf deren subtil gestaltete CD-Cover oder Platten-Hüllen, die dem musikalischen und textlichen Gehalt jeweils einen weiteren Deutungsaspekt mitgeben. Ethno-Instrumente, Porträts von Würdenträgern ethnischer Guppierungen, abgeschlagene Köpfe im Weidenkorb: Soziales umfasst auch oft höchst Unsoziales. Auch darauf verweist Krásná Hora.

Blank Manuskript: Krásná Hora. CD 2019 - erhältich bei Melodic Revolution Records (USA) and Just4Kicks (Germany).
Auf ihrem soliden internationalen Karriereweg machen Blank Manuskript immer wieder auch auf ihrer homebase Station. Selten sind sie innerhalb gut eines Monats zweimal in Salzburg zu erleben:
Heute Freitag (18.10.) geht es um 20 Uhr in der ARGEkultur zurück an die eigenen Wurzeln mit der Debüt-Produktion Tales from an Island - zusammen diesmal mit einem Projektchor Ursulinen - www.argekultur.at
Am 25. November gastieren Blank Manuskript zusammen mit dem Österreichischen Ensemble für Neue Musik beim Dialoge Festival der Stiftung Mozarteum mit einem Abend für Frank Zappa -