asdf
 

Das böse Ende glücklicher Liebschaften

CD-KRITIK / IL GIARDINO DEI SOSPIRI

05/05/21 Total negativ darf man es auch nicht sehen: In Or ch'è dal sol difesa sitzen Angelica und Medoro unter Sonnenschein auf der Wiese, und sie blicken mit Freude aufeinander, aufs sprießende Grün und Blumenbunt rundum. Mit Abstand schauen sie zurück aufs Gewesene und mit Optimismus in eine gemeinsame Zukunft.

Von Reinhard Kriechbaum

Der Neapolitaner Leonardo Leo hat in dieser idyllischen Kammerkantate nur eine Momentaufnahme aus dem Orlando furioso des Ludovico Ariosto vertont. Sonst aber finden wir uns auf dieser Zusammenstellung von Kammerkantaten neapolitanischer, venenzianischer und römischer Herkunft tatsächlich in einem Giardino dei sospiri wieder, in einem Garten, wo aus guten Gründen geseufzt, geklagt und gejammert wird.

Benedetto Marcello beispielsweise beschreibt uns in Arianna abbandonata die von Theseus auf der Insel sitzen gelassene Ariadne. Ob ihres flüchtigen Lovers dekliniert sie alles Leid verschmähter Liebe durch. Und in Händels in Rom entstandene Kantate Qual ti riveggio, oh Dio HWV 150 dürfen wir mitleiden mit Hero, die ihren allabendlich zum Schäferstündchen durch die Dardanellen schwimmenden Liebhaber tot am Ufer findet. Er ist ersoffen, weil der Wind das zur Orientierung am Hellespont so wichtige Licht ausgeblasen hat. In drei Arien beleuchtet Händel die Klage. „L'ultimo sforzo d'un fedele amore“ heißt es im letzten Rezitativ, auf das keine Arie mehr folgt. Der junge Händel, bereits Musikdramatiker vom Scheitel bis zur Sohle, wusste sein Publikum zu überraschen.

Man sieht all diese Szenen quasi bildlich vor sich, wenn die Mezzosopranistin Magdalena Kožená, die ihre Barock-Affinität viel zu selten vorführt, und das Collegium 1704 unter Vaclav Luks diese Liebespaar-Schicksale nachzeichnen. Und das ist absolut im Sinne des Erfinders. Dieser Erfinder war der Opernregisseur Karl-Ernst Herrmann, der ab 2015 mit der Sängerin und dem draufgängerischen Klangredner aus Tschechien im Gespräch war für ein szenisches Projekt aus diesen Kammerkantaten und noch ein paar Einzelnummern. Krankheit und Tod des Theatermanns verhinderten die Umsetzung, die Vorarbeit ist jetzt wenigstens in ein ansehnlich dramatisches Hör-Stück eingeflossen, als das sich Il giardino dei sospiri nun anbietet.

Bei Händel weiß man, was man bekommt. Die anderen Werke sind Neuland, für sie musste das Notenmaterial erst erstellt werden. Benedetto Marcellos Arianna abbandonata und da wieder die zentrale, gleich elf Minuten lange Klage-Arie ist das bemerkenswerteste Fundstück. Die Ersten Geigen allein imaginieren die Einsamkeit Ariadnes, und wenn dann das gesamte Streicherensemble mit differenziertem Continuo das Wort ergreift, glaubt man den Wellenschlag an Naxos' Gestaden zu hören. Ohne jeden übertriebenen Affekt und deshalb umso ausdrucksstärker setzt Magdalena Kožená diese auf absolute Durchhörbarkeit angelegte Arie an, sehr firm und kontrolliert in den Auszierungen im Da capo. Das Collegium 1704 seinerseits darf sich gerade bei Marcello so recht austoben, denn die Kantate beginnt mit drei Instrumentalsetzen, die alles an Fingerläufigkeit abfordern, wenn man die Vorschrift Prestissimo so ernst nimmt wie Vaclav Luks. Ihn und sein Collegium 1704, ein Kollektiv von Aufführungspraktikern ganz nach state of the art, wie es unterdessen in der Szene der Alten Musik vorausgesetzt, kennt man in Salzburg von unterdessen regelmäßigen Auftritten in der Ouverture spirituelle der Festspiele.

Il giardino dei sospiri. Magdalena Kožená (Mezzosopran), Collegium 1704, Ltg. Vaclav Luks. Pentatone PTC 5186725 - www.pentatonemusic.com

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014