Ain tenor von hübscher melodey

CD-KRITIK / MÖNCH VON SALZBURG

06/10/23 Als er die „minniglich Maid“ im Gras auf grüner Heide „im Kittelkleid so lieblich vor sich prangen sah“ – da war's wohl geschehen um den Mönch von Salzburg, da hat es ihm das Herz „aus den angen“ (Angeln) gehoben. Nehmen wir an, dass er es mit der Keuschheit so tierisch ernst nicht gehalten hat.

Von Reinhard Kriechbaum

Egal nun, ob er ein leidenschaftlicher Liebhaber in Mönchskutte (ein Augustiner Chorherr oder Benediktiner) war, oder ob sich hinter dem vagen Pseudonym „Mönch“ gar Erzbischof Pilgrim II. verbarg: „Zwei Brüstlein wie zwei runde Birnen, wohlgefällig braun behaart dort unten im Tal“ – der Knabe war kein Kostverächter. Die deftigen Zitate sind dem Lied Pey perlin und Pey spangen entnommen.

„Ain tenor von hübscher melodey“ heißt es einmal, und damit ist eine Qualität des Mönchs, aber auch der Einspielungen auf dieser CD angesprochen. Der Mönch von Salzburg war ein ziemlich genialer Melodieerfinder, und in vielen als Estampie ausgewiesenen Instrumentalversionen machen Anne-Suse Enßle auf ihren Flöten, Susanne Ansorg auf Fiedel und Rebec deutlich, dass viel lustvoll und pointiert zu musizierendes Potential hinter den Hufnagelnoten oder gar nur ohne Notenwert als Rauten notierten Zeichen auf vier oder schon fünf Notenlinien verbirgt.

„Ain tenor von hübscher melodey“ ist aber auch Philipp Lamprecht, der weich und doch pointiert artikulierend das Sinnliche dieser Liebeslieder übermittelt. Die meisten Stücke des Mönchs sind einstimmig überliefert, aber hier werden sie lustvoll mehrstimmig angereichert.

Die Interpreten gehen davon aus, dass an einem erzbischöflichen Hof wie jenem von Pilgrim II. (Salzburger Erzbischof von 1365 bis 1396) viele Instrumente zur Verfügung standen: Blockflöten, Einhandflöten, Doucaine (ein mittelalterlicher Oboen-Vorläufer), Organetto, keltische Harfe, und ein ganzes Arsenal alter Schlaginstrumente. Was darf man sich unter einer Strohfiedel vorstellen? Es ist ein mittelalterliches Xylophon, dessen Holzstäbe auf Stroh gelagert sind. Gummi war ja noch nicht greifbar. Auch auf Strohunterlage klappert sich's munter...

Diese Aufzählung vermittelt schon den Farbenreichtum dieser sehr überzeugend klingenden Hypothesen. Etwas anderes kann eine Interpretation solcher Musik ja nicht sein. Melodien werden kunstvoll ausgeziert und es fehlt nicht an rhythmisch „fetzigen“ Lösungen. Ja, der Mönch von Salzburg war ein erfolgreicher Liedermacher. Es wundert einen nicht, dass gut hundert Stücke in Wort und Ton von ihm überliefert sind, in Handschriften auch weit jüngeren Datums. Der Mönch ist damit jener Minnesänger, von dem mehr Musik überliefert ist als von seinen viel berühmteren Kollegen. Für Walther von der Vogelweide gibt es bloß 31 Quellen, von Neidhardt von Reuenthal bloß 23. Der Mönch lieferte die Hits seiner Zeit, keine Frage. Eine nette Idee ist, einige idiomatische Textausschnitte von einem Schauspieler, André Hinderlich, rezitieren zu lassen. Die Lieder haben ja auch hohen literarischen Reiz.

The Anonymous Lover. Love songs by the Monk of Salzburg. Duo Enßle-Lamprecht. Audax Records ADX11205 – www.audax-records.fr; enssle-lamprecht.com
Zum dpk-Vorbericht auf das Festival der IPHG
Mein Stundensand ist durch
Dem Mönch von Salzburg widmet das Duo Enßle-Lamprecht seit 2014 einen Gutteil seiner Energie. Die beiden haben sich zum Ziel gesetzt, das gesamte Werk des Salzburger Anonymus zu erarbeiten und aufzuführen. Der Auftritt am Samstag (7.10.) bei den Festtagen der Alten und Neuen Musik der Paul Hofhaymer Gesellschaft ist schon der 22. Teil dieses Langzeitprojekts – www.hofhaymer-society.at